Einführung von Bürgerbüros

Modernisierung der öffentlichen Verwaltung

Vom Antragsteller zum König

Der Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft vollzieht sich in Deutschland seit vielen Jahren: Sowohl in Unternehmen als auch in öffentlichen Verwaltungen ist die Entwicklung zu mehr Service und Flexibilität nicht mehr aufzuhalten. Vor 20 Jahren hat es der Kunde noch akzeptiert von einem Schalter zum nächsten geschickt zu werden, sich immer wieder in einer Schlange einreihen zu müssen und den zuständigen Sachbearbeiter zu finden.

Verwaltungen gestalten sich in zweierlei Hinsicht zeitgemäßer: Nach innen in Form des neues Steuerungsmodells und nach außen als Dienstleister für den Bürger. Der Bürger wird als Kunde gesehen, für den die flexible und permanente Erreichbarkeit der Verwaltung, professionelle und unbürokratische Abwicklung von Vorgängen und eine starke Serviceorientierung eine wichtige Rolle spielen. Kundenorientierung bedeutet in diesem Fall, weniger Gänge zum Rathaus für ein und dieselbe Angelegenheit, weniger Wartezeit, kein „vor“ und „hinter“ dem Schreibtisch, etc. Dies spiegelt sich in veränderten Öffnungszeiten, Nutzung moderner Kommunikationstechnik, geschultem Fachpersonal und der Bereitstellung von Online-Medien wider.

Dieser Trend der Kundenorientierung ist z.B. auch bei Finanzdienstleistern feststellbar. Banken verfolgen mit dem Konzept der bedienten Selbstbedienungen die Strategie, dass das Mengengeschäft an Selbstbedienungsgeräten erledigt wird und somit die Berater zur gezielten Betreuung der Kunden ausreichend Zeit gewinnen.

Die Verwaltung als Dienstleister des Kunden, d.h. des Bürgers erfordert ein Umdenken in den Köpfen der Mitarbeiter/-innen. Dies ist insbesondere bei der Umsetzung des Konzepts des Bürgerbüros notwendig.

Was ist ein Bürgerbüro?

Bislang war die kommunale Verwaltung durch eine starke Gliederung in Fachbereiche gekennzeichnet. Man musste zur Passverlängerung ins Einwohnermeldeamt, zur Parkgenehmigung ins Ordnungsamt, zur Anmeldung seines Gewerbes ins Gewerbeamt etc…. Die neuen Konzepte sehen vor, dass der Bürger möglichst viele Produkte aus einer Hand bekommen soll – im Bürgerbüro. Und falls es aus einer Hand nicht möglich ist, dann sitzen im Bürgerbüro leicht erreichbar entsprechende Kollegen/-innen, die es möglich machen, den Wunsch des Bürgers ohne nochmaliges Anstehen zu erfüllen

Was bedeutet ein Bürgerbüro für die Mitarbeiter/-innen?

Für die Mitarbeiter/-innen bedeutet die Arbeit im Bürgerbüro einschneidende Veränderungen. Waren sie vorher Spezialisten auf ihrem Aufgabengebiet, müssen sie heute ein breites Fachwissen für viele Bürgerbelange abdecken. Diese erweiterte fachliche Kompetenz ist zudem nötig, um alle Kollegen/-innen in Zeiten der Abwesenheit, die durch die verlängerten Öffnungszeiten häufiger eintreten, gut vertreten zu können.

Auch im Bereich der elektronischen Medienkompetenz werden höhere Anforderungen gestellt: Um wirklich auf viele Bedürfnisse des Bürgers schnell und direkt eingehen zu können, sollten die Vorgänge mit der EDV und online bearbeitet werden. Die Arbeit als Team hat im Bürgerbüro einen besonders hohen Stellenwert inne und die Anforderungen an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit sind entsprechend gestiegen. In der Regel besetzen drei bis fünf Kollegen/-innen den identischen Funktionsbereich und müssen ihre Aufgabenverteilung untereinander koordinieren. Gerade in der Übergangszeit hin zum Dienstleistungsbetrieb für den Bürger sind verstärkte gemeinsame Kommunikation, Reflexion von Abläufen und gegenseitiges fachliches Einlernen wichtig.

Die Anforderungen an Stresstoleranz und Persönlichkeit der Mitarbeiter/-innen sind deutlich erhöht. Der Kunde steht unmittelbar im Raum und will möglichst sofort eine Antwort und einen Bescheid. Die Mitarbeiter/-innen sind noch direkter mit den Bürger/-innen konfrontiert und müssen sich mit viel Einfühlungsvermögen und Flexibilität auf die unterschiedlichsten Menschen und Situationen einstellen, unter Berücksichtigung der gestiegenen Ansprüche an Kunden- und Serviceorientierung.

Die Leitungsstrukturen in den Verwaltungen sind in vielen Jahren gewachsen. Die Führungskräfte waren oft „erste Sachbearbeiter“ und an Mitarbeiterführung und Teamarbeit nicht gewöhnt. Im Zuge der Umstrukturierungen sind die Führungskräfte dieser Teams zwar nach wie vor Fachvorgesetzte, sollten aber eher als Coaches agieren, die alle Mitarbeiter/-innen optimal in der Übernahme der neuen Aufgaben unterstützen.

Schritte zur Einführung eines Bürgerbüros

Wie ist der Berater bei der Begleitung einer Gruppe von Mitarbeiterinnen hin zu einem Team im Bürgerbüro konkret vorgegangen?

1.Bedarfsanalyse

In Einzelinterviews wurden die Mitarbeiter/-innen befragt, welche Entwicklungs- und Weiterbildungswünsche sie haben. Anschließend wurden die Ergebnisse mit dem Anforderungsprofil der Funktion abgeglichen und um die Ergebnisse aus den Experteninterviews ergänzt. Dies war die Grundlage für die Entwicklung eines 16-tägigen Weiterbildungskonzeptes.

2. Weiterbildungsdesign

Zur Qualifizierung der Mitarbeiter/-innen für die neuen Aufgaben im Bürgerbüro wurden folgende Themenbereiche und Fragestellungen in jeweils eintägigen Veranstaltungen bearbeitet:

Kommunikation, z.B.

  • wie drücke ich mich klar und elegant aus
  • selbstsicher bleiben

Umgang mit Konflikten, z.B.

  • sich nicht rhetorisch unterkriegen lassen
  • Umgang mit entsprechenden Tricks
  • Rollenspiel mit kritischen Bürgern

Stressbewältigung und Selbstmanagement, z.B.

  • unter Druck die Nerven bewahren
  • Arbeits- und Berufsleben unter einen Hut bekommen

Telefondienst, z.B.

  • kundenorientierte und positive Kommunikation am Telefon
  • Informationen vollständig weiterleiten
  • dem Kunden einen Schritt weiter helfen

Arbeitsorganisation und Zeitmanagement, z.B.

  • den Überblick über verschiedene Tätigkeiten behalten
  • zwischen Dringlichkeit und Wichtigkeit unterscheiden

Informationsfluss, z.B

  • Gestaltung von Übergaben
  • Dokumentation von Abläufen und Ablagesystem
  • Besprechungskultur

Teamentwicklung, z.B.

  • klare Aufgabenverteilung
  • Rolle der Führungskraft
  • argumentieren können
  • Feedback geben und nehmen

kontinuierlicher Verbesserungsprozess, z.B.

  • regelmäßige Reflexion der Prozesse und Strukturen, um Optimierungspotenzial herauszufinden

Umsetzungserfahrungen und Nachsteuerung des Konzeptes

Schon in der ersten Trainingssitzung wurden sehr vehement Probleme mit einer Führungskraft thematisiert. Die Mitarbeiter/-innen, allesamt Sachbearbeiterinnen, fühlten sich hilflos im Umgang mit dieser Führungskraft. Deshalb wurde das Weiterbildungskonzept folgendermaßen modifiziert: Anhand der Kommunikations- und Selbstmanagementthemen sollte das Selbstvertrauen der Mitarbeiterinnen gestärkt werden. Die Mitarbeiterinnen sollten befähigt werden, ihre Rückmeldungen zu einem späteren Zeitpunkt an die Führungskraft weiter geben zu können.

Bei der Planung der Prozesse wurden die Schnittstellen des Bürgerbüros in die restliche Verwaltung nicht ausreichend einbezogen. Dies wird nun im Laufe des Prozesses nachgeholt. Offen ist noch, wie diese Schnittstellen mit dem Entwicklungsprozess im Bürgerbüro vertraut gemacht werden.

Hauptfunktion des Beraters bestand immer wieder darin, den allgemeinen Informationsstand abzugleichen, alle Beteiligten auf den aktuellen Stand und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und Einzelcoachings mit den einzelnen Mitarbeiterinnen durchzuführen.

Erfolgsfaktor Information

Der Prozess der Einführung des Bürgerbüros ist im Moment noch im vollen Gange. Veränderungen sind deutlich spürbar: Die Mitarbeiterinnen genießen es, für sich alleine eine Weiterbildung zu erhalten und erleben die gemeinsamen Weiterbildungstermine als starke Würdigung und Aufwertung ihrer Arbeit in der Verwaltung. Die Führungskräfte sind in der Regel froh über qualifiziertes Feedback und stellen sich gut auf die wachsenden und immer konkreter formulierten Anforderungen der Mitarbeiterinnen ein.

Deutlich wird in der gesamten Umgestaltung, dass das Informieren der Verwaltungsmitarbeiter/-innen für das Gelingen des Prozesses einen sehr hohen Stellenwert einnimmt: Selbst wenn ein Kollege nur ein Zimmer vom Bürgerbüro entfernt platziert wird, heißt das noch lange nicht, dass dieser Kollege ausreichend über die Arbeit des Bürgerbüros informiert ist.

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