#Führungskräfte #Debugging Duck
Immer wieder passiert es: Mein Laptop tut nicht das, was ich von ihm erwarte. Natürlich weiß ich, dass das Problem bei Softwareanwendungen oft vor dem Bildschirm sitzt – beim Benutzer.
Begriffe wie
- DAU (Dümmster anzunehmender User),
- PEBKAC (Problem Exists Between Keyboard And Chair – das Problem sitzt zwischen Tastatur und Stuhl)
- PICNIC (Problem In Chair, Not In Computer – Problem im Stuhl, nicht im Computer)
bringen dieses Phänomen im Jargon vieler Helpdesks humorvoll auf den Punkt. Aber selbstverständlich nehme ich nicht an, dass das auf mich zutrifft … Doch kürzlich war es wieder so weit.
Abends im Hotel, etwas ratlos, rief ich mein Patenkind an – Fachinformatiker für Systemintegration. Sein Ansatz: Er fragt mich, worin genau das Problem liegt – und was ich bisher zur Lösung unternommen habe. Auf seine Bitte hin mache ich einen Screenshot und schicke ihm das Bild per Mail … und noch während ich zu antworten beginne, fällt mir die Lösung ein. Obwohl er die Lösung beim ersten Blick auf den Screenshot natürlich sofort erkennt.
Ein wenig peinlich ist es mir schon, dass ich die offensichtliche Lösung übersehen habe. Doch Lukas schmunzelt durchs Telefon und erzählt mir etwas von einer „Debugging Duck“.
Was steckt hinter der „Debugging Duck“?
Der Begriff beschreibt eine humorvolle und zugleich oft sehr wirkungsvolle Methode zur Fehlersuche in der Softwareentwicklung. Die dahinterstehende Idee ist einfach: Ein Entwickler erklärt seinen Code – Zeile für Zeile – einem unbelebten Objekt, meist einer kleinen Gummiente auf dem Schreibtisch. Durch das laute Erklären erkennt man den Fehler oft selbst – ganz ohne dass die Ente aktiv wird. Genau dieses Prinzip hat offenbar auch bei meinem Telefonat mit meinem Neffen gewirkt.
Dieses Prinzip kennen wir meist schon aus der Schulzeit. Wenn wir einem Mitschüler etwas erklärt haben, mussten wir den Sachverhalt bewusst und strukturiert durchdenken. Dabei habe ich oft eigene Denkfehler oder Missverständnisse erkannt, die mir beim stillen Lesen entgangen sind. Das ist übrigens ein Grund, warum ich mir Texte – wie diesen Blogbeitrag – nach dem Schreiben laut vorlese. Dabei entdecke ich oft Unstimmigkeiten oder Schwächen in meiner Argumentation. So nutze ich den psychologischen Effekt des „lauten Denkens“, um meine Problemlösungskompetenz zu stärken.
Debugging Duck für Führungskräfte
1. Zuhören statt vorschnell Lösungen präsentieren
Die Gummiente löst keine Probleme – sie hört einfach zu. Führungskräfte erleben oft, dass Mitarbeitende selbst Lösungen finden – wenn sie ihr Anliegen strukturiert erklären dürfen. Mit offenen Fragen wie:
• „Erklär mir bitte Schritt für Schritt, wie du vorgegangen bist.“
• „Was passiert genau, bevor der Fehler auftritt?“
fördern Führungskräfte die Problemlösefähigkeit ihrer Mitarbeitenden.
2. Lautes Denken bewusst fördern
Beim Erklären strukturieren wir unsere Gedanken neu. Führungskräfte können dies gezielt nutzen, indem sie Räume schaffen, in denen Mitarbeitende laut denken dürfen – ohne Angst vor Bewertung. Schon eine einfache Einladung wie: „Erzähl einfach mal – wir denken gemeinsam laut darüber nach“, kann viel bewirken – wenn die Führungskraft dem Prinzip treu bleibt und vor allem die Mitarbeitenden reden lässt.
Übrigens: Ansätze wie „Working out Loud“ bauen genau auf diesem Prinzip auf.
3. Coaching statt Mikromanagement
Die Ente gibt keine Anweisungen – sie ermöglicht Selbstreflexion. Das entspricht genau der Grundhaltung im Coaching. Für Führungskräfte bedeutet das: Weniger „Ich mach das für dich“, mehr „Wie würdest du es selbst lösen?“. Fragen wie:
• „Welche Optionen hast du schon überlegt?“
• „Was wäre dein nächster Schritt, wenn du keine Einschränkungen hättest?“
untersützen diesen Coaching-Ansatz.
4. Psychologische Sicherheit gezielt stärken
Die Ente urteilt nicht. Führungskräfte tragen maßgeblich dazu bei, eine Kultur zu gestalten, in der Probleme ohne Angst vor Kritik offen angesprochen werden. Wenn Führungskräfte den Fokus auf Lösungen statt Schuldfragen legen, fördern sie gezielt psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz. Im Playbook Psychologische Sicherheit und in Die vier Stufen der psychologischen Sicherheit finden sich zahlreiche weitere Impulse für Führungskräfte.
5. Komplexität gemeinsam sichtbar machen
Beim Erklären zeigt sich, wo Annahmen nicht stimmen. Durch aktives Zuhören helfen Führungskräfte, blinde Flecken aufzudecken – nicht mit Antworten, sondern mit klugen Fragen. Beispiele dafür:
• „Was passiert, wenn wir diesen Schritt weglassen?“ oder
• „Welche Abhängigkeiten gibt es hier?“
Führungskräfte als Reflektionshelfer statt als Retter
Die Erkenntnisse aus der „Debugging Duck“ lassen sich gut mit einem Leitsatz zusammenfassen:
Mitarbeitende brauchen oft keinen Retter – sondern einen Reflektor.
Ich persönlich empfinde es als entlastend, nicht der Retter sein zu müssen – sondern beim Reflektieren begleiten zu dürfen. Das macht für mich Führungstätigkeit erfüllender. Und wenn ich dann doch einmal – in seltenen Fällen – als Retter gebraucht werde, ist auch das eine befriedigende Erfahrung.