Fundamentalismus als Reaktion auf Transformation?
In der Change Management-Beratung ist es ein allgegenwärtiges Phänomen. Wenn die Veränderungsnotwendigkeit erkannt ist (bei John P. Kotter in seinem Acht-Stufen-Modell des Change Managements ist das die erste Stufe „Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen“), reagiert ein Teil der Mitarbeiter*innen z.T. mit Widerstand (Wie sollen wir das alles schaffen?), ein anderer Teil der Mitarbeiter*innen mit Fundamentalkritik (Das schaffen wir nie!). Und natürlich ist auch immer ein Teil der Mitarbeiter*innen dabei, den Weg nach vorn in Angriff zu nehmen.
Der gefühlte Zusammenbruch der Welt erzeugt eine grundlegende Transformation von Mythologien, Religionen und auch der Kirchen.
Die Kernthese von Michael Blume: „Mit dem Zusammenbruch der Welt, wie wir sie kennen, (erleben wir) auch eine grundlegende Transformation von Mythologien, Religionen und insbesondere auch der Kirchen (…). Auch das optimistische Menschenbild der liberalen Aufklärung – der Mensch als grundsätzlich vernunftbegabt und dialoggewillt – stürzt in sich zusammen“ (S. 10-11). Die Reaktion darauf: zum einen der Rückzug aus den Religionsgemeinschaften ins Private, zum anderen „ein nicht nur in den USA starker ´Kreuzzug´ gegen die als bedrohlich und verschwörerisch empfundenen Erkenntnisse der Wissenschaften“ (S. 11). Der Autor entfaltet in diesem dritten Band seiner Religions-Trilogie nun die Folge dieses Phänomens auf das Judentum.
Monismus versus Dualismus: Welche Spannungsfelder erleben wir?
Der Autor schlägt eine neue Perspektive auf die Spannungsfelder vor, die wir innerhalb der Religionen und zwischen den Religionen erleben. Er sieht die Bruchlinien nicht zwischen den Religionen, sondern innerhalb der jeweiligen Religion, Weltanschauung und Gesellschaft. Es ist für Blume die Bruchlinie zwischen Monismus und Dualismus.
Auf der einen Seite der Monismus, der „an eine dynamisch geschichtete (´emergente´) Einheit der Welt glaubt, die wir also beobachten und erforschen sollten, wenn wir sie auch nicht völlig begreifen können“ (S. 22). Auf der anderen Seite der Dualismus, in dem „die eigenen Ängste sowie möglichst alle Missgeschicke aus der eigenen Verantwortung abgespalten und auf Feindbilder, ja auf vermeintliche Weltverschwörer projiziert“ (S. 23) werden.
Von Sem zu Japhet von Jehoschua zu Jesus – eine spannende Vorgeschichte der Kirchen
Wirklich beeindruckend und detailreich schildert der Autor die geschichtlichen Wurzeln des Judentums und des Christentums inklusive der Verwobenheit beider Religionen. Vielleicht mögen dem einen oder der anderen diese Schilderungen zu umfangreich sein. Mir haben sie meine Perspektive deutlich erweitert.
Die Prognose des Autors: Das Kulturchristentum wird siegen.
Gegen Ende des Bandes wagt Blume eine Prognose: Den Sieg des Kulturchristentums. Die Kirchen werden einen längeren Schrumpfungsprozess durchlaufen und die „Toleranz gegenüber dualistischen, esoterischen und religiös-fundamentalistischen Feinden von Freiheit, Vielfalt und Wissenschaft wird dabei eher abnehmen“ (S. 123). Doch es wird nicht nur negative Entwicklungen geben. Der Autor geht davon aus, dass sich neue, ökumenische/weltumspannende Bündnisse finden, die in den „Schatzkisten der biblischen Mythen neue monistische Erzählungen für ihr Leben finden“ (S. 123).
Ob man die Prognose des Autors teilt oder nicht – eines ist sicher: Wir werden die Entwicklungen erleben. Mit seinem Band leistet Blume einen Beitrag, möglichst wach auf diese sich abzeichnenden Entwicklungen zu schauen.
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