In der Produktion sind wir es gewohnt, dass die Auslastung mit Hilfe von WIP-Boards (Work in Progress / Process) gesteuert wird. Dort finden wir in den Teaminseln häufig Plantafeln, die die zur Verfügung stehende Arbeitskapazität visualisieren. Hier ein Beispiel nach dem Ampelprinzip.
- Grün = kann problemlos bewältigt werden, keine weiter Koordination erforderlich.
- Gelb = Achtung, Kapazitätsgrenze im Team. Hier sollte besprochen werden, wie es trotzdem geleistet werden kann.
- Rot = Oberhalb der Toleranzzone. Hier muss im Team umgeplant werden.
Im abgebildeten Beispiel beträgt der Planungshorizont eine Woche (Montag-Freitag).
Läuft ein Team permanent im gelben oder roten Bereich, ist das in der Produktion auch von außen gut erkennbar. Es entstehen Materialstaus, die Bewegungen werden hektischer, es häufen sich Rückfragen und im Ergebnis entstehen Termin- oder Qualitätsmängel. In der Produktion gibt es den Erfahrungswert von 80-85% Auslastungsplanung, damit noch alle Prozesse fließen und kein Zusatzaufwand durch „Troubleshooting“ (Zwischenlagern, Umplanen, Extraschichten..) entsteht.
Zwischen Angst und Langeweile – Arbeiten im Flow lohnt sich
Mihály Csíkszentmihályi (emeritierter Professor für Psychologie) hat beschrieben, dass in einer optimalen (nicht maximalen!) Belastung der Flow-Erleben auftreten kann. Eine Zustand optimaler Leistungsfähigkeit gepaart mit hoher innerer Zufriedenheit. Es ist diese der Korridor zwischen Angst und Langeweile.
Die Planungskunst besteht darin, diesen Korridor zwischen Langeweile (mit der Gefahr des Boreouts) und der Angst vor Überforderung (mit der Gefahr des Burnouts) zu treffen. Hierzu bietet sich ein selbstschärfendes System an. D.h.: ich gehe in meiner ersten Woche mit Schätzwerten in die Planung. Wie viele Arbeitspakete kann mein Team in den jeweiligen Arbeitsphasen maximal bewältigen? Im Beispielboard, das aus der Softwareentwicklung stammt, sind dies
- Im Arbeitsvorrat (Backlog): unbegrenzt
- In der Konzeptionsphase, d.h. bearbeitbar machen (Bereit): 5
- Im Entwickeln: 4
- Im Testen: 3
- In der Freigabe (Release): 3
- Im Erledigt (Fertig): unbegrenzt.
Wichtig ist es, rasch aus dieser Planung zu lernen.
- Stimmen die Kapazitätsmaxima?
- Wo können wir Prozessverbesserungen erreichen, um die Kapazitätsmaxima erhöhen zu können?
- Wo sind wir zu optimistisch und sollten diese senken?
Grundsätzlich versuche ich immer optimistisch zu planen, da ich nur an den Grenzen die Verbesserungspotenziale entdecken und heben kann. Limits bei Work in Progress sollten also immer herausfordernd sein – doch keinesfalls überfordernd! Denken Sie an die 80-85% Auslastungsplanung!
Onboarding dynamisch und transparent für das Team gestalten
Für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter/-innen nutzen wir eine kleine Abwandlung des WIP-Boards. Wir kombinieren Tätigkeiten mit dem Grad der Selbstständigkeit des/der Mitarbeiters/-in.
Ganz links wie üblich der Arbeitsvorrat. Die nächsten beiden Spalten unterscheiden sich bezüglich des Grades der bereits erfolgten Einarbeitung. In Einarbeitung bedeutet einen Kompetenzgrad von 0-75%. Im Beispiel unten mithilfe einer 5er-Skala abgebildet. Rechts findet sich die Spalte selbstständig übernommen. Voraussetzung dafür ist ein Kompetenzgrad von 75-100%.
Die Wirkung dieser Transparenz bei uns: Jede/r Kollege/-in weiß, bei welchen Tätigkeiten der/die Mitarbeiter/-in bereits voll eingesetzt werden kann und bei welchen delegierten Tätigkeiten ich als Coach zur Verfügung stehen muss. Und die Wirkung auf den/die Kollegen/-in im Onboarding: v.a. motivational. Er/Sie weiß, wo Selbstständigkeit gelebt werden kann und wo Rückfragen durchaus erwünscht sind. Und der Ehrgeiz, möglichst rasch möglichst viele Tätigkeiten in die rechte Spalte zu bekommen, wächst!
Mein Fazit zu Work in Progress
WIP-Limits planen, rasch daraus lernen und immer an der oberen Grenze bleiben!
Zum Schluss ein kleines Video zum Schmunzeln. Was passiert, wenn die WIP-Steuerung nicht vom Team beeinflusst werden kann, sondern von außen vorgegeben wird?
Dann richtet sich die Kreativität der Teammitglieder auf das Vertuschen und Maskieren… doch sehen Sie selbst (insbesondere ab 1:06 – 2:33):
Und ein Lesetipp über Work in Progress: