Familienverfassung – mögliche Konfliktpunkte vorwegnehmen

Familienunternehmen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass die Familienmitglieder da anpacken, wo es im Moment nötig ist und dabei über den kurzfristigen Horizont hinausblicken. Wird die Verantwortung an die nächste Generation weitergegeben, dann wird dieser bewährte Arbeitsstil beibehalten. Es gibt ja keinen Anlass dies zu ändern.

Was tun, wenn Familienmitglieder ihre Anteile abgeben wollen?

Im Übergang zur dritten Generation wird es spannend. In der Regel sind dann nicht mehr alle Familienmitglieder im gleichen Ausmaß im Betrieb engagiert und es gilt die Unterschiede miteinander auszuhandeln und zu regeln. Spätestens, wenn ein Familienmitglied aus dem Unternehmen ausscheiden und seine Anteile verkaufen möchte, entstehen Differenzen über die Art und Weise der Bewertung der Unternehmensanteile und über den Auszahlungsmechanismus.

Familienverfassung als Konfliktprophylaxe

Eine Familienverfassung versucht genau solche möglichen Konfliktfelder vorauszusehen. Also im Vorfeld, solange noch alle Familienmitglieder entspannt zusammenkommen und miteinander reflektieren können, Regelungen zu entwerfen, wie mit wichtigen Punkten in der Zukunft umgegangen werden soll. Es gibt einige Punkte, die für eine Familienverfassung sprechen:

  • Reduktion von Missverständnissen und Konflikten:
    Indem klare Rollen und Verantwortlichkeiten der Familienmitglieder im Unternehmen definiert werden, sinkt die Chance auf Missverständnisse und daraus möglicherweise entstehende Konflikte. Häufig trägt die Reflexion über Rollen und Verantwortlichkeiten auch dazu bei, blinde Flecken in der bisherigen Organisation zu entdecken und für die Zukunft zu schließen.
  • Vereinfachung:
    Indem die gemeinsamen Werte und ethischen Grundsätze der Familie als Leitfaden für das unternehmerische Handeln definiert werden, fallen Entscheidungen leichter. Es müssen nicht bei jeder anstehenden Entscheidung die Entscheidungskriterien neu diskutiert werden, sondern das Engagement aller Beteiligten kann rasch auf die konkrete Bewertung der Kriterien gelenkt werden.
  • Zukunftssicherheit:
    Indem die Kriterien für die Nachfolge in der Familienverfassung geregelt sind, ist die Kontinuität und Stabilität im Unternehmen gewährleistet.
  • Konfliktlösungsmechanismen:
    Indem die Mechanismen zur Konfliktlösung in einer Phase definiert werden, in der das konkrete Problem noch nicht akut war, trägt der ausgearbeitete Konfliktlösungsmechanismus einer Familienverfassung dazu bei, langwierige Auseinandersetzungen innerhalb der Familie zu vermeiden.
  • Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls:
    Wie jeder Handlungsrahmen, seien es Führungsleitlinien, Unternehmensverfassung o.ä., fördert bereits die Diskussion und die nachfolgende gemeinsame Verabschiedung der Familienverfassung das das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifikation mit dem Familienunternehmen.

Was sollte in einer Familienverfassung geregelt werden?

Es hat sich bewährt, in einer Familienverfassung ein breites Spektrum an Themen zu regeln.

  • Werte und Prinzipien
    Welche Werte teilen wir? Welche ethischen Grundsätze sollen als Leitfaden für das betriebliche Handeln dienen?
  • Rollen und Verantwortlichkeiten
    Welche Verantwortung trägt die Geschäftsführung? Wer verantwortet welche Geschäfte? Welche Kompetenzen besitzt der Gesellschafterkreis? Welche Funktion übernimmt der eventuell vorhandene Beirat? Wer ist Mitglied im Beirat? Welches Gremium kontrolliert? Wer hat Mitspracherecht? Wer berät ausschließlich?
  • Nachfolge regeln
    Wie ist die Nachfolge geregelt? Welche Rollen sollen ggf. familienfremde Manager spielen? Wie qualifiziere bzw. disqualifiziere ich mich für die Nachfolge?
  • Eigentumsverhältnisse
    Wer erhält Anteile am Familienunternehmen? Wie können Unternehmensanteile ge- und verkauft, vererbt und übertragen werden? An wen dürfen sie veräußert werden? Nach welchem Verfahren werden die Unternehmensanteile bewertet?
  • Gewinnverwendung
    Wie soll der Unternehmensgewinn verwendet werden? In welchem Verhältnis soll der Unternehmensgewinn für Reinvestitionen, für die Gesellschafter oder für andere Zwecke zur Verfügung stehen?
  • Konfliktlösungsmechanismen
    Konflikte sind etwas selbstverständliches und häufig auf dem Kopf stehende Lösungen (https://www.loquenz.de/konflikte-als-entwicklungshelfer-konfliktmanagement-fuer-fortgeschrittene). In welchen Stufen sollen Konfliktlösungen angegangen werden? Wann sollen Externe als Berater oder Mediatoren hinzugezogen werden, um kosten- und aufwandsintensive gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden?
  • Führung des Unternehmens
    Soll das Unternehmen ausschließlich von Familienmitgliedern geführt werden? Was ist zu tun, wenn keine Familienmitglieder für die Führung zur Verfügung stehen? Wie werden familienfremde Manager ausgewählt? Welche Voraussetzungen müssen Familienmitglieder erfüllen, um eine Führungsposition übernehmen zu können (https://www.loquenz.de/nachfolge-familienunternehmen-einstiegsregeln)?

Der Weg zur Familienverfassung

Für den Weg zur Familienverfassung empfiehlt sich ein klarer Fahrplan mit folgenden Mindestelementen.

  • Gemeinsam mit möglichst allen Familienmitgliedern
    Ein möglichst breite Teilnahme ist die Voraussetzung für eine hohe Akzeptanz der Ergebnisse. Da in Familienbetrieben immer zwei Dynamiken – zum einen die betriebliche Dynamik, zum anderen die Familiendynamik – gleichzeitig vorhanden sind, erleichtert eine externe Begleitung dieses Vorhaben ungemein.
  • Klares Projektmanagement
    Eine gute Struktur gibt Sicherheit.
  • Zeit für Qualitätssicherung
    Eine Familienverfassung sollte nicht unter Zeitdruck stehen. Es lohnt sich, lieber eine Reflexionsschleife zu viel als eine Reflexionsschleife zu wenig einzubauen. Hier gilt eindeutig Qualität vor Zeit!
  • Formalisierung und Verabschiedung
    Am Ende sollte die Familienverfassung auch Wirkung erzeugen. Das formale Aufschreiben und die gemeinsame festliche Verabschiedung trägt dazu bei, dass sie Wirkung in der Realität zeigt.
  • Umsetzung und regelmäßige Überprüfung
    Entsprechend des Slogans: “You can’t manage what you don’t measure” entscheidet das konsequente Umsetzen und Controlling über die Wirkung in der Praxis. Es lohnt sich, bereits bei der Erarbeitung der Familienverfassung darüber nachzudenken, wie das routinemäßige Controlling stattfinden soll.
    Zusätzlich ist daran zu denken, dass die Familienverfassung immer wieder auf den internen Prüfstand gestellt werden sollte. Wo gilt es über Weiterentwicklungen nachzudenken? Was hat sich als überflüssig erwiesen und kann gestrichen werden? Wo sollte nochmals nachgeschärft werden?

Familienverfassung als ein wichtiges Element der Zukunftsvorsorge

Meine Erfahrung in der Beratung: immer wieder entstehen Beratungsmandate, weil vergessen wurde, typische Fallkonstellation in einer Familienverfassung zu regeln. Natürlich kann man nicht davon ausgehen, dass in einer Familienverfassung alle zukünftigen Spannungsfelder geregelt werden können. Doch trägt eine Familienverfassung dazu bei, den Weg Richtung Unternehmenszukunft stabiler zu gestalten. Eine wichtige Voraussetzung für das weitere Engagement nicht nur der Familienmitglieder, sondern auch für zukünftige und bestehende Mitarbeitende.Und f

Und falls Sie Fragen zum Thema Unternehmensnachfolge haben, freue ich mich über Ihre Nachricht. Für 2025 planen wir drei Abende zum Thema Unternehmensnachfolge. Nähere Infos folgen, sobald die exakten Termine zu den Themen ‚Unternehmensnachfolge planen, durchführen und abschließen‘ feststehen.

Aktuelle Beiträge

Weitere Themen

Keine Tags zu diesem Beitrag.

Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie uns!

Scroll to Top