Gott und Körper?
Auf den ersten Blick ist es für unseren westlichen Blick ungewohnt. Eine Anatomie des göttlichen Körpers. Wie soll das gelingen? Wo wir doch Gott – wenn überhaupt – als unkörperliches Wesen erfahren. Klar sind wir die Darstellungen in Kirchen und Kunst gewohnt. Da sehen wir Jesus am Kreuz, Maria mit dem Jesuskind, Gottvater als Mann mit Bart im Himmel. Und den Heiligen Geist als Taube.
Der Gott der Antike – ein körperbetontes Wesen
Die Autorin, Professorin für hebräische Bibelgeschichte und Antike Religionen an der Universität von Exeter, wagt mit dem vorliegenden Buch, neben ihren zahlreichen religionswissenschaftlichen Werken, den Weg hin zu einem breiten Publikum. Sie erzählt mit diesem Buch die Geschichte des wahren Gottes der Bibel, wie sie sie gerne bereits während ihrer Studienzeiten gelesen hätte. Im Buch wird Gott in all seinen leiblichen, unzensierten und skandalösen Ausprägungen erzählt. „Indem es (d.h. das Buch) die theologische Fassade über die Jahrhunderte angesammelter jüdischer und christlicher Pietät herunterreißt, befreit das Buch den Gott der Heiligen Schrift von seinen biblischen und dogmatischen Fesseln und bringt eine Gottheit hervor, die ganz anders ist als der Gott, der heute von Juden und Christen verehrt wird. Der in diesem Buch enthüllte Gott ist die Gottheit, als die seine Anhänger im Altertum ihn sahen: ein überdimensionaler, muskelbepackter, gut aussehender Gott mit übermenschlichen Kräften, irdischen Leidenschaften und seiner Schwäche für das Fantastische und Monströse (S. 13-14).“
Leib und Seele
Das Buch ist eine Einladung, in der Dualität von Leib und Seele, der Seite des Leibes stärker nachzugehen. Und wenn Francesca Stavrakopoulou von Leib spricht, dann meint sie dies sprichwörtlich. Sie gliedert die über 500 Seiten Text von unten nach oben. Angefangen bei den Füßen und Beinen, über die Genitalien, den Torso und Arme und Hände bis hin zum Kopf geht sie die körperlichen Details des antiken Gottesbildes in Texten und bildlichen Darstellungen durch. Sie berührt in dieser Reise Gottesdarstellungen im breiten Raum des vorderen Orients bis hin zum Mittelmeer.
Unser heute ist von den antiken körperlichen Gottesvorstellungen geprägt
Im Schutzumschlag wird die Frage beantwortet, warum es sinnvoll sein mag, sich mit den antiken körperlichen Gottesvorstellungen auseinanderzusetzen. Die These der Autorin: „Unser Denken über Leben und Tod, unsere Einstellung zu Sex und Geschlecht, sogar unsere Ess- und Trinkgewohnheiten und unser Verständnis von Geschichte wurden davon maßgeblich beeinflusst – ob wir nun an ihn glauben oder nicht“. Wer sich für diese illustrative Reise interessiert, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Die zahlreichen Zeichnungen, Abbildungen und Fotografien unterstützen die anschauliche textliche Darstellung der Autorin.