Im Buch „Hypnosystemische Perspektiven im Change Management: Veränderung steuern in einer volatilen, komplexen und widersprüchlichen Welt“ beschreiben Vera Starker und Tilman Peschke Change Management als Change-Begleitung. Meine Bewertung: 5 Sterne.
Eigentlich ist der Begriff Change Management irreführend. Er erzeugt die Illusion, dass es möglich wäre, einen Change-Prozess wie im klassischen Wasserfall-Projektmanagement nach Plan abzuarbeiten. Dieser Illusion erliegen die Autoren Vera Starker und Tilman Peschke nicht! Ganz im Gegenteil. Sie stehen für eine Herangehensweise, die eine Organisation und ihre Akteure im Kontext ihrer Umgebungen versteht. Und auch die Change-Begleitung und Change-Beratung kann nur in der Umwelt für die handelnden Akteure stattfinden. Immer mit dem Motto im Hinterkopf, dass ein aktuelles Verhalten eine Antwort ist, um mit einer Herausforderung umzugehen. Vielleicht ist es noch nicht die beste Antwort, aus Perspektive anderer Akteure gesehen; doch aus Sicht des Akteurs auf jeden Fall eine Antwort, die aus seiner Perspektive als eine mögliche erscheint.
Hypnosystemische Perspektiven in der Praxis des Change Managements
Der große Verdienst des Autorenduos mit dem vorliegenden Band liegt darin, die Anregungen aus der hypnosystemischen Arbeit nach Gunther Schmidt auf die Aufgabe für Change-Begleiterinnen zu übertragen. Im einführenden Kapitel 1 stellen sie die aktuellen Ansätze im Change Management, insbesondere nach John P. Kotter dar, mit den Stärken und Schwächen. Aktuelle Studien verdeutlichen, dass die vorhandenen Change Management-Ansätze lediglich eine durchwachsene Erfolgsbilanz vorweisen können. Das Wagnis der Autoren besteht darin, diese bestehenden Ansätze mit den hypnosystemischen Perspektiven in Verbindung zu bringen. Und man kann sagen, dass sich dieses Wagnis lohnt! Sowohl Change Management-Interessierte als auch langjährige Change-Praktikerinnen und -Praktiker werden zahlreiche Anregungen für gelingendes Change Management finden.
Change als Strategie, die erlebte Diskrepanz zwischen einem Ist- und einem Sollzustand aufzuheben
Der Kernpunkt des hypnosystemischen Ansatzes bedeutet für das Change Management, Change als Strategie zu verstehen, die dazu beiträgt, die erlebte Diskrepanz zwischen einem Ist- und einem Sollzustand aufzuheben. Dazu werden drei Ebenen miteinander verkoppelt:
- das Problemerleben,
- das Verständnis von Vergangenheit mit ihren Mustern des Gelingens und
- das imaginative Ausgestalten einer gewünschten Zukunft.
Neurobiologische Sicht auf Change Management
Bereichernd sind die zusätzlichen Facetten, die die Autoren über den hypnosystemischen Ansatz hinaus vermitteln, zum Beispiel die neurobiologische Perspektive. Folgt man ihr, dann stellen die empirischen Forschungen eindeutig fest, dass das Topmanagement in der Rolle als Sinnstifter tatsächlich eine produktivitäts- und geschwindigkeitssteigernde Wirkung hat. Die wenigen Seiten (S. 85-87) über den guten Umgang mit Fehlern unter dem Stichwort „Fairness“ sollten Pflichtlektüre in der Managementausbildung werden!
Rolle der Beratung im Change Management
Für das Autorenduo besteht die Rolle der Beratung im Change Management darin, ihre eigenen Beobachtungen, die sie als Teil einer konstruierten Wirklichkeit verstehen, den in der Innenperspektive verhafteten Führungskräften und Mitarbeitenden einer Organisation anzubieten. Entsprechend dieser Grundidee besteht Change Beratung v.a. in Rückkopplungsschleifen. Die klassische Interventionstechnik dazu ist die „Systemische Schleife“.
Was mich bis zur letzten Seite immer wieder überrascht hat, sind die vielen kleinen Hinweise, die auch für erfahrene Change-Beraterinnen und -Berater wertvolle Ergänzungen bieten. Für mich ist der Band bis zur letzten Seite absolut lesenswert.