Das Handelsblatt titelte „Deutsche Konzerne wollen Präsenz erhöhen – Streit droht“. Hintergrund ist eine Handelsblatt-Umfrage, die herausgearbeitet hat, dass immer mehr Unternehmen die Mitarbeitenden wieder stärker ins Büro holen möchten. Die Beschäftigten scheinen auf den ‚Rückruf aus dem Homeoffice‘ mit Unmut zu reagieren.
Präsenz erhöhen führt zu sinkender Motivation und höherer empfundener Arbeitsbelastung
Die Forderung nach stärkerer Präsenz im Büro wird von Firmen gestellt, obwohl die Studienlage laut Handelsblatt eindeutig ist: „Doch zeigen Studien, dass die Motivation der Mitarbeiter sinkt und die gefühlte Arbeitsbelastung steigt, wenn Firmen die Präsenz wieder verpflichtend erhöhen“ (Artikel des Handelsblattes).
Nur wenn ich sehe, was meine Mitarbeitenden machen, bin ich mir als Führungskraft sicher?
Spannend ist die Frage, was die Betriebe motiviert, ihre Mitarbeitenden wieder zurück ins Büro zu beordern. Immer wieder höre ich die These, dass ich als Führungskraft über das Arbeitsergebnis nur dann wirklich sicher sein kann, wenn ich die Mitarbeitenden auch bei ihrer Arbeit sehe.
Anstrengung als dominantes Erfolgskriterium?
Denkt man die These, dass ich als Führungskraft Sichtkontakt zu meinen Mitarbeitenden brauche, weiter, dann scheint dahinter die Einstellung zu stecken, dass vor allem die Anstrengung bzw. die mit einer Aufgabe verbundene Zeit, für den Arbeitserfolg entscheidend sei.
Sind die Mitarbeitenden im Homeoffice, dann können ja ungewollte Arbeitsunterbrechungen wie nachfragende Kinder, die Waschmaschine oder einfach die gemütliche Pause zwischendurch bei einem Kaffee mit Familienangehörigen oder Nachbarn drohen. Und, so der Gedankengang, diese Pausen stören bei der Erreichung des Arbeitsergebnisses.
Arbeitsergebnis als Erfolgskriterium
Wählt man als Führungskraft eine andere Grundthese, nämlich dass das Arbeitsergebnis das entscheidende Erfolgskriterium sein sollte, dann fallen die Befürchtungen bezüglich eines mangelnden Arbeitseinsatzes weg. Sobald das Arbeitsergebnis im Zentrum steht, dann ist es nicht mehr entscheidend, mit welchem Einsatz dieses Ergebnis erreicht wurde. Es zählt nur die Tatsache, dass es erreicht wurde.
Im Rahmen regelmäßiger Feedbacks, Feed-Forwards oder Retrospektiven mit meinen Mitarbeitenden wird es mir mit der Zeit immer besser gelingen, den erforderlichen Zeitaufwand gemeinsam mit dem Mitarbeitenden einzuschätzen und einzuplanen. Dies ist vor allem auch wichtig, da es im Homeoffice auch die Gefahr gibt, dass die Arbeit entgrenzt.
Aufwand für das Arbeitsergebnis im Blick behalten
Es ist wichtig, den Aufwand für das Arbeitsergebnis auch im Homeoffice im Blick zu behalten. Die meisten kennen wahrscheinlich die Situation, dass nach dem Abendessen mal kurz nochmals der Rechner angemacht wird, um noch ein oder zwei Stunden etwas für die Firma zu erledigen. Wenn das nur selten der Fall ist, ist dagegen sicherlich nichts einzuwenden. Doch wird es zur Routine, dann droht aufgrund des zu hohen Zeiteinsatzes Erschöpfung bis hin zum Burnout.
Und wo bleibt die Zusammenarbeit und Innovation im Homeoffice?
Eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte im Homeoffice ist die Aufrechterhaltung der Kommunikation. Im Büro können Informationen schnell und informell ausgetauscht werden – ein kurzer Plausch in der Kaffeeküche oder ein spontanes Meeting am Schreibtisch. Im Homeoffice hingegen sind Führungskräfte darauf angewiesen, dass Informationen gezielt und strukturiert weitergegeben werden. Dies erfordert nicht nur neue Kommunikationswerkzeuge, sondern auch eine bewusste Kommunikationskultur. Regelmäßige Meetings, klare Absprachen und ein offener Austausch sind essenziell, um Missverständnisse zu vermeiden und das Teamgefühl zu stärken.
Bettina Hantmann zeigt in ihrem Buch „Remote Positive Leadership“ sehr schön auf, welche Anforderungen Homeoffice an Selbstführung und an die Führungskraft stell (hier unsere Buch-Rezension). Aus meiner Sicht fordert uns das Thema Homeoffice zielgerichtet heraus, wie wir als Führungskräfte und Mitarbeitende die Form unserer Zusammenarbeit mithilfe der digitalen Optionen noch weiter intensivieren und optimieren können. Schließlich kennen wir ja auch die negativen Aspekte des Büros, in dem wir zwar 6-9 Stunden gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen verbracht haben, doch praktisch keinen Kontakt miteinander hatten, weil wir so auf unsere Arbeitsaufgabe fokussiert waren, dass keine Power mehr für einen Plausch zwischendurch geblieben ist.