Im Moment ist das sich-gegenseitige-Necken ja Alltag. Ob bei der Fasnet, beim Fasching oder im Karneval. Die angemessene Intensität des Neckens wird erfahrungsgemäß subjektiv immer wieder unterschiedlich eingeschätzt. Über die Grenzen des Neckens bis hin zu bloßen Provokationen kann man schier endlose Diskussionen führen.
Die Provokative Therapie nach Frank Farrelly
Frank Farrelly hatte Anfang der 60er Jahre im Rahmen seiner Arbeit in einem psychiatrischen Krankenhaus mit psychisch erkrankten Menschen die Provokative Therapie entwickelt. Seine Grundfrage lautete: Wie kann ich einem Patienten so gekonnt den Spiegel vorhalten, dass er oder sie sein eigenes begrenzendes Verhalten nicht nur erkennt, sondern auch darüber schmunzeln kann? Und dann, mit diesem Abstand gegenüber sich selbst, andere Verhaltensweisen für die belastende Situation entwickeln kann.
So berichtete Frank Farrelly in einem Ausbildungsworkshop z.B. von einem Patienten, der sich selbst für Jesus hielt. Als Frank Farrelly mit ihm in die Werkstatt der Klinik ging und mit ihm anfing ein Kreuz zu basteln – Ostern war absehbar – gelang es dem Patienten sich von seiner starren Identitätszuschreibung zu lösen…
Liebevolles ‚to provocate‘
Sehr eindrücklich war in diesem Workshop auch, wie Frank Farrelly die Grundhaltung in der Provokativen Therapie beschrieb. Er sagte, wenn Du provozieren möchtest, dann bitte „mit dem Schalk in den Augen, einem Lächeln auf den Lippen und einem liebevollen und offenen Herzen“.
Und gleich anschließend hat er uns noch den Unterschied zwischen dem deutschen „provozieren“ und dem amerikanischen „to provocate“ erklärt: ‚To provocate‘ ist im Sinne eines mitfühlenden Hervorlockens zu verstehen. Es geht nicht darum, mein Gegenüber zu provozieren und seinen Blutdruck steigen zu lassen. Vielmehr geht es darum ihn oder sie so anzuschubsen, dass er oder sie sich eingeladen fühlt, die „Geschichte“, die im Moment im Raum steht, von außen anzuschauen. Und wenn ein Lächeln über die Lippen huscht, dann kann dies der erste Schritt zur Selbsterkenntnis sein und die beste Voraussetzung, die in sich schlummernden Ressourcen für ein alternatives Verhalten aktivieren zu können.
Komplimente als liebevolle Provokation
Auch Komplimente können in diesem Sinne eine Form der liebevollen Provokation sein – indem sie Stärken hervorlocken. Eine eindrucksvolle Erfahrung dazu machte ich selbst in einer Coaching-Situation: Eine Führungskraft, die gerade eine herausfordernde Trennung durchlebte, konnte durch gezielte, wertschätzende Spiegelung ihrer eigenen Kraft neue Perspektiven gewinnen. (Mehr dazu hier: Komplimente im Coaching).
Den Provokativen Stil vertiefen
Wer sich mit dem Provokativen Stil, wie sich die Adaptation des Ansatzes der Provokativen Therapie in Deutschland nennt, näher beschäftigen möchte, dem sei das Buch von E. Noni Höfner empfohlen: Glauben Sie ja nicht, wer Sie sind! dar. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es hier: Amüsante Provokationen – aber mit Wirkung..
Wie würde man in Hirrlingen – einer klassischen Fasnetshochburg in der Nähe Tübingens – sagen „Auf eine glückselige Fasnet“!