In jedem Veränderungsprozess tritt immer wieder die Frage auf, ob die nächsten geplanten Schritte und Inhalte wirklich zur Kultur der Organisation, dem Veränderungstempo der Firma passen und ob die Gewichtung stimmig ist. Manchmal werden wichtige Veränderungsthemen im Change-Team nicht erkannt oder Themen in ihrer Gewichtung überbewertet. Wie kann man sich dazu Feedback aus der Organisation einholen? Häufig taucht dafür in Change-Prozessen der Begriff des Sounding Boards auf. Aber ein Sounding Board ist mehr als ein Feedback-Workshop.
Sounding Board als Resonanzboden
Die Grundidee des Sounding Boards kann man aus der Physik ableiten. Bei der Übertragung der von den Saiten eines Klaviers erzeugten Tönen, entscheidet die Qualität des Resonanzbodens, wie voll und satt diese Töne verstärkt und damit für die Zuhörenden als Klanggenuss wahrgenommen werden. Die Saiten erzeugen zwar den Ton, aber der Resonanzboden verstärkt ihn und bringt ihn erst zur Geltung. Der Resonanzboden wird deshalb auch als die Seele des Klaviers bezeichnet.
Ein ähnliches Prinzip findet sich in der Klangarchitektur klassischer Kirchen. Oberhalb einer Kanzel, auf der früher ohne Verstärkeranlage gepredigt wurde, findet sich ein Schalldeckel. Durch den Schalldeckel werden die Worte des Predigenden auf der Kanzel in Richtung der Gläubigen zurückgeworfen.
Das Sounding Board hat innerhalb eines Projektverlaufes eine ähnliche Funktion. Im Rahmen dieses Meetings sollen ansonsten kaum wahrnehmbare Resonanzen und leise Feedbacks eingeholt und Richtung Projektteam verstärkt werden. Ein Sounding Board kann damit dazu beitragen, anstehende Entscheidungen zu reflektieren und zu verbessern.
Sounding Board als Feedbackgeber
Die Grundidee des Sounding Boards: Das Projektteam präsentiert im geschützten Rahmen des Sounding Boards die nächsten Projektschritte. Es holt sich Feedback dazu ein, ob diese Schritte einleuchtend und in der passenden Reihenfolge geplant sind. Und ob diese zu den Zielen und Werten des Unternehmens oder der Organisation passen. Ein kleiner Hinweis: Zu Beginn des Sounding Boards kann es hilfreich sein, kurz die Grundhaltung des Feedforward vorzustellen. Welche konkreten Verbesserungsmöglichkeiten werden von den Teilnehmenden des Sounding Boards mit Blick auf die Zukunft gesehen? Wie sollte sich das Projektteam in seiner Planung mit Blick auf die Zukunft verhalten, um das Ziel zu erreichen? (vgl. https://www.loquenz.de/feedback-feedforward).
Eine zweite Idee des Sounding Boards: Es kann auch dazu beitragen, mögliche Probleme, blinde Flecken oder Unklarheiten im Change Design aufzudecken und Lösungen vorzuschlagen.
Sounding Board als Akzeptanzinstrument
Eine andere Zielsetzung für die Durchführung eines Sounding Boards besteht darin, die Akzeptanz und die Zustimmung zum geplanten Vorgehen seitens der Belegschaft und von anderen wichtigen Stakeholdern zu erhalten. Die Mitglieder des Sounding Boards spiegeln beispielhaft mögliche Einwände wider, die in den unterschiedlichen Bereichen der Organisation auftauchen können. Indem die Begründungen dieser Einwände dem Projektteam vertraut werden, können sie in der weiteren Kommunikation des Projektverlaufs passend eingeflochten werden.
Sounding Board ist kein Mitbestimmungsgremium
Ein typisches Phänomen ist, dass ein Sounding Board von seinen Mitgliedern als ein Mitbestimmungsgremium verstanden wird. Die Steuerungsfunktion für ein Projekt obliegt im Regelfall dem Steuerungskreis. Damit das Sounding Board seine Aufgabe, Resonanz auf die weitere Projektplanung zu geben, wirklich erfüllen kann, ist es wichtig darauf zu achten, dass diese Erwartung an das Sounding Board in der Einladung klar kommuniziert wird. Es empfiehlt sich auch, dieses Framing zu Beginn des Sounding Boards zu wiederholen.
Sounding Board ist keine reine Informationsveranstaltung
Manchmal taucht im Projektteam in Change-Prozessen auch die Idee auf, dass über die Teilnehmenden des Sounding Boards die Projektidee und die weiteren Projektschritte sozusagen automatisch in der Organisation weitergegeben werden. Diese Aufgabenstellung widerspricht der ursprünglichen Aufgabe des Sounding Boards, Feedback für das Projektteam zu geben. Dieses Feedback gelingt den einzelnen Teilnehmenden umso leichter, wenn es keine nachfolgende Aufgabe für sie zur Folge hat.
Wie organisiere ich ein Sounding Board?
Klassischerweise lade ich zu einem Sounding Board einen breiten Querschnitt meiner Mitarbeitenden und Führungskräfte ein. Es empfiehlt sich dabei auch an diejenigen zu denken, die z.B. dafür bekannt sind, eher „um die Ecke zu denken“ oder unerwartete Blickwinkel zu thematisieren. Da das Sounding Board kein klassisches Beteiligungs- oder Mitwirkungsinstrument darstellt, erfolgt die Einladung unabhängig von der Fragestellung, ob z.B. der Betriebs- bzw. Personalrat auf jeden Fall einzuladen ist. Falls es geboten sein mag, den Betriebs- oder Personalrat in die Projektschritte mit einzubeziehen, dann empfiehlt sich dafür ein separater Workshop.
Die Teilnahme am Sounding Board erfolgt auf freiwilliger Basis im Rahmen der Arbeitszeit. Auch die Dauer des Sounding Boards sollte sich im überschaubaren Rahmen (60 – 120 Minuten) bewegen, damit es für die Teilnehmenden nicht zur zusätzlichen Belastung wird.
Bereits mit der Einladung sollte über Inhalt und Ziel des Sounding Boards informiert werden. Die Teilnehmenden sollte sich bereits im Vorfeld auf die Fragestellung einstellen und erste Gedanken dazu machen können.
Wie verläuft ein Sounding Board?
Nach Begrüßung und Dank für das Kommen stellt das Projektteam den Teilnehmenden den aktuellen Planungsstand vor. Die Teilnehmenden haben die Gelegenheit, Verständnisfragen zu stellen.
Im zweiten Schritt steht die Resonanz auf die Projektplanung im Zentrum. Die Teilnehmenden geben ihre individuelle Einschätzung des Vorgestellten ab: „Was hat mich angesprochen? Was hat mich überrascht? Was habe ich vermisst? Was finde ich schwierig? Was fehlt mir?“ Dieses Feedback kann mündlich geäußert und gesammelt werden oder z.B. in Form von Moderationskarten abgegeben werden. Idealerweise werden alle Beiträge visualisiert, sodass die Gesamtheit der Feedbacks für alle Teilnehmenden gut erfassbar ist. Dadurch werden die Teilnehmenden eingeladen, sich durch das Feedback der anderen zu weiterem Feedback anregen zu lassen.
Wichtig ist in dieser Phase, dass die Resonanz der Teilnehmenden wirklich nur visualisiert wird und das Projektteam keine Erklärungen, Rechtfertigungen o.ä. abgibt.
Im dritten Schritt fassen die Mitglieder des Projektteams ihre Wahrnehmungen zusammen: „Was habe ich an Resonanz verstanden? Welche weiteren Fragen sind für mich daraus entstanden? Welche Erkenntnisse ergeben sich für mich damit mit dem Blick auf das weitere Vorgehen?“ Durch diesen dritten Schritt erhalten die Teilnehmenden einen kleinen Eindruck, wie ihre Anregungen angefangen werden, zu verarbeiten. Wichtig dabei: auch hier ergibt sich daraus keine weitere Diskussion!
Nach dem Sounding Board?
Nachdem das Sounding Board mit einem Dankeschön an die Teilnehmenden verabschiedet wurde, geht die Arbeit im Projektteam weiter. „Was haben wir für das weitere Vorgehen gelernt? Wo sollten wir die Planung modifizieren? Wo sollten wir auf jeden Fall wie geplant weitergehen? Was sollten wir weglassen? Was hatten wir bislang noch nicht oder nicht genügend im Fokus?“
Und als eine wertschätzende Geste gegenüber den Teilnehmenden mein Tipp: Die Erkenntnisse des Projektteams mit etwas Abstand zum Termin des Treffens zur Verfügung zu stellen