Endlich will ich meinen unrealisierten Stärken besser auf die Spur kommen. So nutze ich die Fastenzeit als Experimentierphase mit und für mich selbst, indem ich mich dabei beobachte, wie ich mit meinen bisher unrealisierten Stärken im Alltag umgehe. Und Tapferkeit ist eine bei mir unrealisierte Stärke. Um meiner Tapferkeit besser auf die Spur zu kommen, frage ich mich in meiner Tagesreflexion, wo ich tagsüber vielleicht so etwas wie Tapferkeit empfunden oder auch in meinem Handeln eingesetzt habe. Und: Wo habe ich gezögert, Tapferkeit in die Tat umzusetzen.
Tapferkeit ist vielfältig
Tapferkeit wird in der Regel als die Fähigkeit verstanden, mutig zu handeln und dieses mutige Handeln auch zu realisieren, wenn man selbst Angst hat oder gar in Gefahr ist. Es geht bei Tapferkeit darum, in schwierigen Situationen Entschlossenheit zu zeigen und keine Angst vor den Konsequenzen zu haben – oder diese Angst wenigstens nicht nach außen zu zeigen. Auf den ersten Blick schien mir dieses Selbstexperiment leicht machbar zu sein: „Wo hatte ich im Verlauf des Tages einen Impuls zur Tapferkeit? Und wo habe ich dann doch lieber einen Bogen drumherum gemacht?“
Doch so einfach lief es nicht. Mir wurde bewusst, dass Tapferkeit eine äußerst vielfältige Stärke ist; eine Stärke, die sich erst in der Selbstreflexion entfaltet und erkennen lässt.
Tapferkeit ist häufig in kritischen Situationen gefragt
Immerhin ist mir Tapferkeit als entschlossenes Handeln, ohne Angst nach außen zu zeigen, durchaus vertraut. Elemente daraus entdecke ich in meinem Alltagshandeln immer wieder: zum Beispiel in Entscheidungssituationen, in denen noch mehr Information nicht mehr zu einer höheren Entscheidungssicherheit beiträgt. Gerade dann gilt es unter Unsicherheit zu entscheiden. Also im vollen Bewusstsein der möglichen fehlerhaften Entscheidung Tapferkeit zu zeigen und die anstehende Entscheidung zu treffen.
Spannend wird es bei kritischen Situationen, in denen schnelles Handeln erforderlich wäre. Hier sieht es bei mir schon anders aus. Da habe ich beobachtet, wie ich bei temporeichen Handlungssituation ab und zu den richtigen Moment verpasse, um zu entscheiden. Die Folge ist, dass diese zu spät getroffene Entscheidung von den an der Situation beteiligten Personen als zögerlich wahrgenommen wird.
Pareto-Prinzip auch unter Druck realisieren
Wieso hatte ich den richtigen Zeitpunkt zur Entscheidung verpasst? Und wieso konnte ich unter (Zeit-)Druck meine unrealisierte Stärke „Tapferkeit“ nicht realisieren? Ich habe beobachtet, dass ich versucht habe, eine 100 % richtige Entscheidung zu fällen. Und so war ich in solchen Situationen bisher weit davon entfernt, mein Wissen um das Pareto-Prinzip, dem abnehmendem Grenznutzen beim zeitlichen Aufwand für das Treffen guter Entscheidungen, auf mich selbst anwenden zu können.
Tapferkeit mit dem Fokus auf meinen Beitrag zur Lösung
Ein Freund fragte mich, was mein Beitrag für die Situation sein könnte: Geht es darum, aus meiner Sicht etwas 100 % Richtiges und damit für mich Sicheres beizutragen? Oder ist es vielleicht wichtiger, darauf zu fokussieren, was die konkrete Situation leichtgängiger gestalten könnte – auch wenn ich selbst dabei unsicher bin, was dafür das hundertprozentig richtige Mittel sein könnt?
Mit Fokus auf einen kleinen Beitrag wird Selbstreflexion leichtgängiger
Der Gedanke, einen möglichen produktiven Beitrag zur Situation zu leisten, war faszinierend. Und zwar faszinierend in der Wirkung auf mein persönliches Mindset zur Problemlösung: Bisher hatte ich reflektiert, was jetzt genau die richtige Handlungsoption sein könnte – und so mein Nachdenken eher verzögert oder gar blockiert. Nun ist es mir mit der Leitschnur „was könnte ein produktiver und vielleicht auch kleiner Beitrag sein?“ leichter gefallen, auch rasche Handlungsoptionen zu entdecken. Und Voilà: ich traue mich häufiger zu raschem Handeln, auch unter Unsicherheit. Herzlich willkommen unrealisierte Stärke „Tapferkeit“.