Genau diese Frage ist in der Beratung von Führungskräften ein Dauerthema: „Warum verlassen gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen?“ Häufig berichten mir Führungskräfte, dass der entscheidende Grund für die Kündigung ein attraktives Verdienstangebot anderer Markteilnehmer bzw. Arbeitgeber sei.
Verdienst ist (nur) ein Grund, ein Unternehmen zu verlassen
Ja, es stimmt: Im Trennungsgespräch nennen die Mitarbeitenden häufig das höhere Monatsverdienst als Kündigungsgrund. Allerdings, auch wenn der Arbeitgeberwechsel in der Regel mit der Verbesserung des Jahresbrutto verbunden ist, so ist die Verdiensthöhe zwar eine häufige Begründung, doch oftmals nicht der entscheidende Grund!
Denn beim Thema Gehalt geht es eher um das persönliche Empfinden der Mitarbeitenden, dass ihre Vergütung angemessen ist. Als angemessen empfinde ich meine Vergütung, wenn ich ungefähr in der Bandbreite mit befreundeten Kolleginnen und Kollegen aus anderen, für mich vergleichbaren Unternehmen liege. So sollte ich die selbst gestellte Frage „Liege ich mit meinem Gehalt in der üblichen mittleren Bandbreite meiner Branche?“ mit einem klaren „Ja“ beantworten können. Kann ich das nicht, kann dies ein wesentlicher Grund dafür sein, dass meine Wechselbereitschaft steigt und meine Bindung ans Unternehmen abnimmt.
Als Führungskraft das Gespräch zum Thema Verdienst mit meinen Mitarbeitenden suchen
Leicht entstehen beim Nachdenken über Monatsgehälter Zweifel und Fantasien. Um mit empfundenen Vergütungsungleichheiten produktiv umzugehen, empfehle ich Führungskräften, das Gespräch über Vergütung mit ihren Mitarbeitenden aktiv zu suchen. Beim Gespräch über Monats- und Jahresverdienst, kann ich als Führungskraft leichtgängig auch die anderen Bestandteile des betrieblichen Vergütungs- und Benefit-Rahmens thematisieren. Beispiele können Zusatzleistungen sein wie Fitnessstudio, aktive Pausenangebote, Entwicklungsoptionen bzw. Job-Crafting oder Brutto-Netto-Optimierungen. Wenn ich mit in diesen intensiven Austausch komme, wird schnell deutlich, dass Mitarbeitende sehr wohl das Gesamtpaket des Arbeitgebers abschätzen können. Und gleichzeitig kann ich erfahren, dass sich eventuell Priorisierungen aufseiten meiner Mitarbeiterin oder meinem Mitarbeiter verschoben haben. Vielleicht für mich ein Anlass, das Vergütungspaket gemeinsam nachzujustieren, sodass für die/den Einzelne/n zusätzliche Vorteile entstehen können.
Mitarbeiter verlassen nicht ihre Firma, sondern ihren Chef
Beim Thema Kündigung zitieren leistungsstarke Mitarbeitende häufig den Satz „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen nicht ihre Firma, sondern ihren Chef oder ihre Chefin“. Dieser Satz weist darauf hin, dass noch ganz andere Kündigungsfaktoren, die jenseits des Lohnzettels liegen, existieren. Hier geht es vielmehr um Themen wie Führungskultur, Wertschätzung, Entwicklungsperspektiven und Passung zwischen betrieblichen Anforderungen und Lebensentwurf der/des Mitarbeitenden.
Im HR-Report 2023 zum Thema Mitarbeiterbindung werden Merkmale von Unternehmenskulturen benannt, die zur Mitarbeiterbindung beitragen. Die Maßnahmen sind mit abnehmender Wichtigkeit aufgeführt:
- Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (53 %)
- Beteiligung der Mitarbeitenden am Unternehmenserfolg (40 %)
- Offener Umgang mit kritischen Themen (38 %)
- Regelmäßige Information durch die Unternehmensleitung (37 %)
- Transparenz über die Ziele des Unternehmens (37 %)
- Schaffung einer hierarchieübergreifenden Kommunikation (34 %)
- Gemeinsame Events (z. B. Mitarbeiterausflüge, Kochen, …) (32 %)
- Konstruktive Fehlerkorrektur (30 %)
- Aktiver Umgang mit Veränderungen (30 %)
- Verbindlichkeit von Zusagen („walk the talk“) (29 %)
- Vereinbarkeit kollektiver und persönlicher Werte (19 %)
- Unternehmensweite Möglichkeiten zur Partizipation (14 %)
- Förderung von Diversität (13 %)
- Berücksichtigung von Generationsunterschieden (11 %)
Führungsarbeit beeinflusst die Mitarbeiterbindung entscheidend
Diese umfangreiche Nennung an Beiträgen der Unternehmenskultur zur Mitarbeiterbindung zeigt das breite Handlungsfeld für Führungskräfte auf. Natürlich wird an zweiter Stelle die Beteiligung der Mitarbeitenden am Unternehmenserfolg genannt. Doch eindeutig auf Rang 1 steht das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Und auch die Themen auf den nachfolgenden Rängen, wie offener Umgang mit kritischen Themen, regelmäßige Information durch die Unternehmensleitung, Transparenz über die Ziele des Unternehmens und Schaffung einer hierarchieübergreifenden Kommunikation, wirken sich stark auf die Mitarbeiterbindung aus – und sie können durch die Führungskräfte direkt beeinflusst werden!
PERMA-Leadership als Führungspraxis
Mich erinnern diese Befragungsergebnisse an die bestehenden Forschungsergebnisse von Dr. Markus Ebner zum Thema PERMA-Leadership. Ein Grund mehr, sich davon für die persönliche Führungspraxis anregen zu lassen. Unser Beispiel aus dem Team Rehasport stelle ich im Video vor.