Wertorientierung in der Führung: Was Führungskräfte aus der Entwicklungspsychologie lernen können

Was tun, wenn mein Gegenüber auf meine Ideen nicht wirklich eingehen will – trotz guter Argumente?

Welche Impulse bietet das Wertemodell von Clare W. Graves für solche Situationen?
Worauf sollte ich als Führungskraft achten – und was besser vermeiden?

Unterschiedliche Wertorientierungen wahrnehmen – nicht jede bedienen

Wie kann ich mich als Führungskraft auf unterschiedliche Wertorientierungen meiner Mitarbeitenden einstellen?

Mitarbeitende bringen unterschiedliche Wertorientierungen mit. Auf den ersten Blick entsteht bei Führungskräften leicht der Eindruck, sich auf jede dieser Ausprägungen individuell einstellen zu müssen.

Doch Vorsicht: Genau das ist meist nicht die beste Lösung. Der erste Schritt ist vielmehr, diese Unterschiede bewusst wahrzunehmen – erst dann kann ich überlegen, wie ich damit umgehen will.

Welche Wertorientierungen begegnen mir typischerweise bei Mitarbeitenden?

Clare W. Graves hat sich grundsätzlich gefragt, ob den unterschiedlichen Wertorientierungen der Menschen eine Systematik zugrunde liegt – nicht nur im Arbeitskontext. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er unter dem Namen Spiral Dynamics.

Spiral Dynamics bietet ein hilfreiches Raster, um besser zu verstehen, warum Menschen so unterschiedlich auf Ideen, Veränderungen oder Führung reagieren. Gerade wenn Mitarbeitende auf Impulse oder Ideen nicht reagieren, kann das Modell für Führungskräfte wertvolle Orientierung geben.

Spiral Dynamics im Detail

Graves beschreibt, dass Menschen je nach persönlicher Entwicklung, Umfeld und aktuellen Herausforderungen in unterschiedlichen Werte- und Denksystemen („value memes“) handeln. Diese Systeme reichen von stark sicherheitsorientierten bis hin zu hochkomplexen, systemisch geprägten Denkweisen.

Dabei geht es ausdrücklich nicht darum, Menschen zu kategorisieren oder zu bewerten.

Graves betont: „Kein System ist ‚besser‘ – jedes hat seine Berechtigung.“

Diese Ebenen nannte er „value memes“ (Wertememe). Sie entwickeln sich spiralförmig weiter – daher der Name Spiral Dynamics.

Die acht zentralen Wertesysteme nach Spiral Dynamics – mit Blick auf Führung

  • Beige – Überleben sichern
    • Motto: „Ich muss überleben“
    • In modernen Organisationen kaum präsent. Kommt vereinzelt vor bei Menschen in existenziellen Krisen.
  • Purpur – Sicherheit durch Zugehörigkeit
    • Motto: „Wir schützen uns als Gruppe“
    • Zentrale Werte sind Loyalität, Tradition und Orientierung an Autoritäten.
  • Rot – Macht und Kontrolle
    • Motto: „Ich nehme mir, was ich brauche“
    • Impulsiv und machtbezogen. Häufig sichtbar in autoritären Strukturen oder bei starkem Ego-Verhalten.
  • Blau – Ordnung und Stabilität
    • Motto: „Es gibt eine richtige Ordnung“
    • Regeln, Disziplin und klare Verantwortlichkeiten stehen im Vordergrund. Viele Verwaltungen und klassische Unternehmen sind hier verortet.
  • Orange – Erfolg und Leistung
    • Motto: „Ich will gewinnen“
    • Zielorientiert, strategisch und innovationsfreudig. Charakteristisch für wachstumsorientierte Unternehmen oder Organisationen mit Effizienzdruck.
  • Grün – Harmonie und Gemeinschaft
    • Motto: „Alle sollen gehört werden“
    • Wertschätzung, Teamarbeit und Konsens sind leitend. Oft anzutreffen in sozialen Organisationen, NGOs oder modernen HR-Abteilungen.
  • Gelb – Ganzheitliches Denken
    • Motto: „Ich denke in Systemen“
    • Selbstverantwortung, Lernen und vernetztes Denken prägen dieses System. Typisch für agile oder lernende Organisationen.
  • Türkis – Systemische Verbundenheit
    • Motto: „Wir sind Teil eines größeren Ganzen“
    • Globales Denken, Ethik und Bewusstseinserweiterung. In der Praxis selten, aber als Leitbild oder Ideal durchaus präsent.

Tipps für Führungskräfte im Umgang mit den unterschiedlichen Wertesystemen

Bevor ich meine Kommunikation anpasse, sollte ich zunächst erkennen, wo mein Gegenüber in seiner Wertorientierung steht.

• Im blauen Wertesystem: Struktur geben, Sicherheit betonen, klare Regeln vermitteln.
• Im orangen Wertesystem: Effizienz und Nutzen aufzeigen, Erfolge sichtbar machen.
• Im grünen Wertesystem: Beteiligung ermöglichen, Beziehung und Teamgeist stärken.

Achte ich bewusst auf die Sprache meines Gegenübers, lassen sich dominante Werte und Denkweisen gut erkennen.
Das lässt sich vergleichen mit dem Einstellen auf einen Dialekt: Auch hier passe ich als Führungskraft meine Sprache an, um verstanden zu werden.

Sobald mir bewusst ist, welches Wertesystem aktuell bei meinem Gegenüber dominiert, kann ich gezielt darauf eingehen.

Menschen handeln nicht irrational – sondern wertebasiert

Bei Widerstand neigen wir als Führungskräfte oft dazu, unsere Argumente zu wiederholen oder noch stärker zu betonen.
Das Modell von Graves lädt dazu ein, Widerstände nicht vorschnell als mangelnde Kompetenz oder Ablehnung zu interpretieren – sondern als Hinweis, die eigene Sprache zu überprüfen.

Vielleicht habe ich meine Idee so formuliert, dass sie nicht zum aktuellen Wertesystem meines Gegenübers passt.
Mit etwas sprachlicher „Übersetzungshilfe“ lässt sich diese Lücke oft schnell überbrücken.

Vielfalt von Werteorientierungen in Teams, Abteilungen und Organisationen

Besonders herausfordernd wird es, wenn Führungskräfte nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Teams oder Organisationen ansprechen wollen. Wie gestalte ich meine Kommunikation so, dass sie unterschiedliche Werteorientierungen berücksichtigt – und möglichst viele erreicht?

LOGO Do Care-Kongress 2025 Wertorientierung

Genau dieser Frage bin ich – gemeinsam mit Annette Bantel-Kochan – beim diesjährigen Do Care-Kongress nachgegangen. Für alle, die neugierig geworden sind, ein kurzer Video-Teaser zum Vortrag: Video ansehen

Zum Weiterlesen lohnt sich auch ein Blick auf folgende Beiträge:

#Wertorientierungen #Spiral Dynamics

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