Vor drei Wochen unterhielten sich zwei Fahrgäste, die mir morgens auf dem Weg zu einem Erfahrungsaustausch mit Führungskräften (sogenanntes Leadership Lab) in der Straßenbahn gegenüber saßen, über ihre Verdienstoptionen. Einer stand offensichtlich wenige Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand, während der andere ihm die Perspektive des Ruheständlers schilderte. Entscheidend war für beide der Punkt, wie viel zusätzlich zur Rente dazuverdient werden darf. Offensichtlich nur € 450, wegen der Altersteilzeit…
Im Laufe des Gesprächs über die Altersteilzeit, wurde deutlich, was damit gemeint war. Bis € 450,- wird der Zuverdienst nicht auf die Rente angerechnet, darüber hinaus mindert er allerdings die Rentenhöhe. Die eindeutige Konsequenz für beide Gesprächspartner: auf jeden Fall nach Renteneintritt nur Beschäftigungsverhältnisse bis € 450,- einzugehen. Ansonsten würden sie ja dem Staat unnötigerweise etwas schenken.
Mich hat dieses aufgeschnappte Gespräch, über die Altersteilzeit, nachdenklich gemacht. Folgende Fragen sind mir daraufhin durch den Kopf gegangen. Ist es nicht auch im Ruhestand ok, dass ich bei einem Verdienst über € 450,- einen passenden Anteil an die Solidargemeinschaft abführe? Wie sollte der politische, gesellschaftliche und steuerliche Rahmen gestaltet werden, dass der Ruhestandseintritt nicht dieses „entweder-oder“ provoziert, sondern ein „sowohl-als auch“ möglich macht? Schließlich ist das Mitgestalten in unserer Gesellschaft durch Erwerbsarbeit auch ein Wert, wie sich Einzelne aktiv entfalten können. Wobei diese Idee das Mitgestalten durch ehrenamtliches Engagement nicht abwerten soll. Oder habe ich da vielleicht nur eine Minderheitenposition aufgeschnappt?
Optimismus in der Krise
Was mich auf der anderen Seite optimistisch stimmt, ist das, was wir alle im Moment erleben. Es ist die Bereitschaft, in einer Krise zusammenzustehen und sich gegenseitig zu helfen. Diese ungeheuer starke Motivation, zugunsten der Solidargemeinschaft für andere einzustehen und anderen beizustehen, zeigt sich im Moment an vielen Stellen! Offensichtlich sind viele bereit, sich für das Ganze aktiv einzubringen – wunderbar!
Mit Blick auf die Zeit nach Corona bin ich gespannt, wie wir diese, sich jetzt bei vielen Gelegenheiten zeigende Motivation, weiter pflegen und kultivieren können. Werden wir nach Corona wieder zu der stärkeren Ich-Zentrierung zurückkehren oder entsteht durch diese momentane Erfahrung die Chance auf eine neues „Wir“?
Vielleicht mag die Antwort auf diese Frage an den Rahmenbedingungen liegen, die wir uns geben. Oder vielleicht auch an der Art und Weise unseres Umgangs, der sich jetzt von seiner positiven Seite zeigt. Ich hoffe, dass wir Wege finden, diesen Umgang miteinander fortzusetzen, zu verstetigen, weiter zu nähren und aufblühen zu lassen.
WIR schaffen das!
In diesem Sinne heute einen herzlichen Dank an alle, die im Moment dazu beitragen, dass sich dieses „Wir“ so deutlich zum Ausdruck bringt!