Als Führungskraft habe ich fast endlose Optionen, in meinem Führungsverhalten tätig zu werden. Wie gelingt es mir, mich auf die Optionen zu fokussieren, mit denen ich tatsächliche Führungswirkung erziele? Stephen Covey hat das Modell des Circle of Concern, des Circle of Influence und des Circle of Control als konzentrische Kreise entwickelt.
Was ist der Circle of Influence?
Stephen Covey hat in seinem Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“ das Konzept des Circle of Influence vorgestellt. Covey ging es dabei um die Frage, welchen Einflussbereich ich als Führungskraft tatsächlich habe. Diese Überlegung hilft der Führungkraft den Fokus auf das zu richten, was wirklich kontrollierbar ist. Sein Tipp: Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie direkt beeinflussen können. Auf Dinge oder Faktoren, die außerhalb Ihrer Kontrolle liegen, sollten Sie keine Energie verschwenden.
Wie weit reicht meine Führung? Warum der Circle of Influence entscheidend ist
Für das Betriebsergebnis ist die Reichweite Ihrer Führung von entscheidender Bedeutung. Häufig beschäftigen wir uns in der Führung mit Problemen, die wir als Führungskraft nicht direkt beeinflussen können. Das verringert unsere Effektivität erheblich. Hier kommt der Gedanke des Circle of Influence ins Spiel: Indem ich mich bewusst auf die Bereiche konzentriere, in denen ich wirklichen Einfluss nehmen kann, maximiere ich meine Führungsreichweite und erziele nachhaltige Erfolge.
Fokus meiner Führung: Den Circle of Influence verstehen und anwenden
Der erste Schritt, den Circle of Influence wirkungsvoll zu nutzen, besteht darin, meine Herausforderungen in zwei Kategorien zu unterteilen:
- Circle of Concern (Sorgenbereich): Dieser umfasst alles, was mir Sorgen bereitet und außerhalb meiner direkten Kontrolle liegt.
- Circle of Influence (Einflussbereich): Dieser umfasst alles, was mir Sorgen bereitet und innerhalb meiner direkten Kontrolle liegt.
In seinem Modell führt Covey auch noch den Circle of Control an. Damit meint er die Bereiche in meiner Führung, die ich eindeutig im Griff und so unter Kontrolle habe. Da im Circle of Control der zu erzielende Impact leicht erreichbar ist, beschäftigen wir uns im Folgenden nur mit dem Circle of Concern und dem Circle of Influence.
Praktische Schritte zur Stärkung des Circle of Influence
Die Grundidee von Stephen Covey: Wenn ich als Führungskraft meinen Circle of Influence stärke, dann erhöht sich mein Input-Output-Verhältnis als Führungskraft. Konkret: ich benötige weniger input, und damit auch weniger Aufmerksamkeit und Kraft, um mehr Output zu erreichen. Hierzu einige praktische Tipps:
1. Selbstreflexion und Priorisierung
Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, um Ihre täglichen Aktivitäten zu reflektieren. Welche davon liegen in Ihrem Einflussbereich, und welche nicht? Bei welchen Aktivitäten sind zwar viele Klagen zu hören, trotzdem sind sie eher als Rahmenbedingungen des Arbeitens zu sehen. Hier lohnt es sich nicht, Energie zu investieren.
Setzen Sie Ihre Prioritäten so, dass Sie sich auf die Bereiche konzentrieren, die Sie kontrollieren können. So stärken Sie automatisch Ihren Circle of Influence.
Falls Sie sich unsicher sind, ob es zu Ihrem Führungsauftrag gehört, die Rahmenbedingungen des Teams für Ihre Arbeit zu verändern, dann suchen Sie das Gespräch mit Ihrer oder Ihrem Vorgesetzten. Häufig können Sie danach manche Themen nach oben delegieren oder die Umsetzungsverantwortung für nicht Erreichbares ablegen.
Im Coaching erlebe ich immer wieder, dass Führungskräfte sich ausführlich mit den Rahmenbedingungen beschäftigen und sich an deren Veränderungsmöglichkeiten abarbeiten. Zur Zeit geschieht dies häufig bei bestehenden Betriebsvereinbarungen zum Thema ‚Nutzung Mobiler Arbeitsplätze‘. Denn egal wie überzeugt ich als Führungskraft von dieser Option für meine Mitarbeitenden bin, falls die oberste Führungsebene, z.B. aufgrund ihrer Vorgeschichte oder ihres Kontrollbedürfnisses, diese Option ausschießt, dann sollte ich dieses momentane „dead end“ akzeptieren. Für mich wie für das Team ist es dann besser, uns darauf zu fokussieren, wie wir innerhalb des vorhandenen betrieblichen Rahmens Optionen ermöglichen, hin und wieder im Homeoffice zu arbeiten.
2. Aktive Kommunikation
Kommunikation ist ein mächtiges Werkzeug, um Ihren Einflussbereich zu erweitern. Wenn Sie klar und effektiv kommunizieren, können Sie nicht nur bessere Beziehungen aufbauen, sondern auch Ihre Führungsreichweite vergrößern. Machen Sie die erhofften Wirkungen Ihres Führungsverhaltens für Dritte transparent. Und beantworten Sie die Frage, wofür Sie Dieses oder Jenes vereinbaren. Es geht um die Frage nach dem Why! Eine offene und ehrliche Kommunikation fördert Vertrauen und Kooperation – beides wesentliche Elemente für einen starken Circle of Influence.
3. Vertrauen und Delegation
Vertrauen ist das Fundament einer erfolgreichen Führung. Indem Sie Verantwortung an Ihr Team delegieren und dem Team die Freiheit geben, eigene Entscheidungen zu treffen, erweitern Sie den Circle of Influence Ihres Teams. Das unterstützt die intrinsische Motivation der Teammitglieder und hat noch einen zweiten, wertvollen Effekt: Es erweitert auch Ihren eigenen Circle of Influence! Damit gelingt es Ihnen, Einfluss auf Bereiche zu nehmen, die vorher möglicherweise außerhalb Ihres direkten Kontrollbereichs lagen.
In diesem Zusammenhang taucht häufig der Slogan „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ auf. Nun, das wurde so nie von Lenin gesagt. Vielmehr darf Vertrauen nie naiv sein, sondern man sollte Vertrauen als eine überlegte Investition ansehen, die ich mit entsprechender Kontrolle immer wieder bestätigt bekomme (siehe Blogbeitrag: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser).
Jedes Ding hat mindestens zwei Seiten – mögliche Kritikpunkte am Modell des Influence of Control
Aus der Beratung von Führungskräften heraus, lassen sich sechs Punkte feststellen, die ich bei der Nutzung des Modells des Influence of Control beachten sollte:
1. Tunnelblick und Vernachlässigung des Gesamtkontexts
Führungskräfte, die sich zu stark auf ihren Circle of Influence konzentrieren, laufen Gefahr, den größeren Kontext oder langfristige Entwicklungen aus den Augen zu verlieren. Indem sie sich ausschließlich auf das unmittelbar Beeinflussbare fokussieren, könnten sie wichtige externe Faktoren, Trends oder Veränderungen übersehen, die langfristig ihre Organisation beeinflussen.
Empfehlung: Führung hat auch immer mit dem Kontext von Führung zu tun. Nehmen Sie sich immer wieder bewusst Zeiten, den Kontext Ihrer konkreten Führungsaufgabe zu reflektieren.
2. Risiko der Überkontrolle
Manchmal ist man als Führungskräfte versucht, den persönlichen Circle of Influence zu sehr zu kontrollieren. Stichwort Mikromanagement: Aus den direkten Feedbacks z.B. von Kunden oder Lieferanten bezüglich des erreichten Impacts kann man zwar als Führungskraft Motivation ziehen, doch kann dies auch dazu führen, dass das Vertrauen und die Eigenverantwortung des Teams untergraben werden. Denn übermäßige Kontrolle kann die Motivation der Mitarbeiter senken und Innovation ersticken, da das Team das Gefühl hat, nicht selbstständig arbeiten zu dürfen.
Empfehlung: Holen Sie sich gezielt Feedback von Ihren Teammitgliedern, ob Sie zum Mikromanagement neigen und welche Tipps die Teammitglieder für Sie haben.
3. Vernachlässigung des Circle of Concern
Die Priorisierung verlangt, sich auf den Circle of Influence zu konzentrieren. Doch wichtig, der Circle of Concern (also das, was außerhalb meiner direkten Kontrolle liegt) darf nicht völlig ignoriert werden. Manchmal ist es notwendig, auf externe Faktoren einzugehen – selbst wenn man sie nicht direkt beeinflussen kann. Denn ein völliges Ausblenden dieser Bereiche könnte dazu führen, dass Führungskräfte unvorbereitet auf Veränderungen reagieren, die außerhalb ihres direkten Einflussbereichs liegen.
Empfehlung: Thematisieren Sie immer wieder auch externe Faktoren und hypothetisieren Sie, was wäre, wenn Sie auf diesen oder jenen Faktor Einfluss hätten? Was würden Sie dann tun? Immer wieder tauchen dann doch Situationen auf, in denen ich auch auf Faktoren im Circle of Condern Einfluss nehmen kann.
4. Unterschätzung des indirekten Einflusses
Führungskräfte könnten ihren indirekten Einfluss unterschätzen, wenn sie den Circle of Influence zu eng definieren. Oftmals haben Führungskräfte durch Netzwerke, Partnerschaften und langfristige Strategien einen größeren Einfluss, als sie glauben. Indem sie sich zu sehr auf den direkten Einflussbereich konzentrieren, könnten sie diese indirekten Möglichkeiten vernachlässigen.
Empfehlung: Suchen Sie den regelmäßigen Austausch mit Führungskräften, die ihren Circle of Influence in einem Bereich haben, der sich mit Ihrem Circle of Concern überlappt. Hier können Sie gemeinsam nach Antworten schauen, auf Fragen wie „Was wäre, wenn man wieder erwarten auf diesen oder jenen Bereich Einfluss nehmen könnte? Was würde ich dann empfehlen?“
5. Gefahr der Selbstzufriedenheit
Das Fokussieren auf den Circle of Influence kann dazu führen, dass Führungskräfte sich in einer Komfortzone einrichten und keine Risiken mehr eingehen. Diese Selbstzufriedenheit kann langfristig dazu führen, dass die Führungskraft und das Unternehmen stagnieren, da neue Chancen und Herausforderungen möglicherweise nicht erkannt oder angegangen werden.
Empfehlung: In der Regel genügt die regelmäßige Reflexion (täglich oder wöchentlich) des persönlichen Führungsverhaltens. Vielleicht ergänzt durch kurze Feedbacks durch die oder den nächsthöhere/n Vorgesetzte/n.
6. Missverständnis der Grenzen des Einflusses
Schließlich besteht das Risiko, dass Führungskräfte die Grenzen ihres Circle of Influence falsch einschätzen. Denn wenn sie glauben, mehr Kontrolle zu haben, als es tatsächlich der Fall ist, könnten sie Ressourcen in aussichtslose Projekte investieren oder Entscheidungen treffen, die letztlich zu Misserfolgen führen.
Empfehlung: gemeinsam mit Ihrem Team können Sie mithilfe der Szenariotechnik oder Zukunftswerkstätten erkunden, wie stark Ihr Einfluss tatsächlich ist und wo sich deutliche Grenzen zeigen.
Fazit: Bewusster Umgang mit dem Circle of Influence
Der Circle of Influence ist ein nützliches Werkzeug, sollte aber, wie jedes Werkzeug, mit Bedacht angewendet werden. Führungskräfte müssen ein Gleichgewicht finden zwischen dem Fokus auf das, was sie beeinflussen können, und der notwendigen Achtsamkeit für den größeren Kontext und die indirekten Einflussmöglichkeiten.
Durch die Fokussierung auf Ihren Einflussbereich können Sie nicht nur Ihre eigenen Fähigkeiten optimieren, sondern auch die Dynamik Ihres Teams und Ihrer Organisation positiv beeinflussen. In einer Welt voller Unsicherheiten ist es die bewusste Entscheidung, sich auf das Kontrollierbare zu konzentrieren, die den Unterschied zwischen einer durchschnittlichen und einer herausragenden Führungskraft ausmacht.