Offener Umgang mit Unsicherheit ist gefordert!
Aufgrund der hohen Volatilität der betrieblichen Rahmenbedingungen bin ich als Führungskraft damit konfrontiert, dass ich nicht mehr unbedingt richtig entscheiden und handeln kann, sondern bestenfalls einen gekonnten Umgang mit der Unsicherheit leisten kann. Damit stehe ich ggf. im Kontrast zu den Erwartungen, die von Vorgesetzten, Führungskollegen/-innen und Mitarbeiter/-innen an mich stellen. Erwartungen, die lauten: „Schaffe Sicherheit für unser betriebliches Agieren. Entscheide, wie zu handeln ist bzw. welche Richtung einzuschlagen ist.“
Anstatt Unsicherheit möglichst zu reduzieren, besteht meine Aufgabe vielmehr darin, für den aktiven Umgang damit zu werben.
Der erste Schritt dazu: Verständnis für die Tatsache der Unsicherheit schaffen. D. h.: Nicht versuchen, über die Unsicherheiten hinweg zu täuschen (psychologisch gesprochen, nicht der Kontrollillusion zu unterliegen), sondern durch einen breiten Informationsaustausch das Verstehen der Situation, in der sich alle betrieblichen Akteure befinden, zu fördern.
Diesen Austausch zwischen den Beschäftigten wie auch zwischen Mitarbeiter und Führungskraft durch mediale Unterstützung und direkte Kommunikation (face-to-face), bei der v. a. der Dialog im Vordergrund stehen sollte, immer wieder zu ermöglichen und einzufordern. Als Führungskraft würde ich mich dabei auf zwei Elemente fokussieren:
1. Die unternehmerische Vision als Referenzpunkt und
2. Der Dialog als Voraussetzung für Verständnis.
Zu 1: Die unternehmerische Vision als Referenzpunkt
Wir sind es gewohnt, die Vision als Leitstern zu skizzieren und daraus Jahresziele herunterzubrechen. Die klassische Führungsaufgabe daraus lautet: Verständnis für das Jahresziel schaffen, Commitment herstellen und mit den nachgeordneten Mitarbeiter/-innen die Wege dorthin zu planen, Unterstützung zu geben, Zielerreichungsgrade zu validieren und ggf. nachzujustieren (PDCA-Zyklus).
In Zeiten der VUCA-Welt, hat die Vision weiterhin die Aufgabe, die für die Ausrichtung der Aktivitäten eine grobe Orientierung zu bieten. Entscheidend ist der zweite Schritt. Nicht länger der Illusion zu unterliegen, dass die Handlungsschritte daraus wie im klassischen Projektmanagement gelernt top-down abgeleitet werden könnten. Dies würde die exakten Kenntnisse der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge voraussetzen, die durch die hohe Volatität nicht mehr erarbeitet werden können. Die Konsequenz: Es sind nur Entscheidungen unter Unsicherheit möglich. Und das heißt für die konkreten Handlungsschritte: auch diese sind nur unter Unsicherheit zu gehen. Daraus folgt für die Mitarbeiter/-innen, dass ihnen diese Unsicherheit nicht mehr durch die Führungskraft genommen werden kann, sondern vielmehr vom Mitarbeiter selbst verlangt wird, trotz der gefühlten Unsicherheit zu agieren. Für alle Beteiligten eine neue Situation!
Und gerade weil es eine neue und ungewohnte Situation ist, gilt es als Führungskraft v. a. für die Akzeptanz dieser zu werben.
Zu 2: Dialog als Voraussetzung für Verständnis
Da diese Unsicherheit v. a. den emotionalen Bereich betrifft, sind Führungskräfte in Bezug auf ihre Empathiefähigkeit besonders gefordert. Unsicherheit kann ich nicht rational wegdiskutieren, sondern nur aushalten und den operativen Umgang damit unterstützen. Für diesen Umgang wird heutzutage die Bedeutung der intuitiven und emotionalen Intelligenz häufig noch unterschätzt.
Natürlich gibt es auch Arbeitsmethoden, die die Mitarbeiter/-innen dabei unterstützen, mit der empfundenen Unsicherheit leichter umzugehen. Hierzu bieten sich v. a. agile Arbeitsmethoden an. Als Beispiel sei SCRUM als Projektmanagementmethode genannt. Je rascher ich auf Volatilität reagieren kann, desto leichter fällt es mir mit der empfundenen Unsicherheit umzugehen. Und wenn ich dann noch über Kriterien verfüge, bei deren Erreichen ich von der Weiterverfolgung von Plan A ablasse und auf die Entwicklung von Plan B umschalte, dann dominiert die Prozesssicherheit mein Handeln – selbst wenn die operative Unsicherheit nach wie vor vorhanden ist.