Übergänge sind Alltag… und ein Wagnis
In jeder Organisation finden Übergänge statt. Sei es durch Umstrukturierungen, sei es aufgrund von Aufkäufen, Zukäufen oder Verkäufen, sei es durch Leitungswechsel, sich verändernde Kundenerwartungen… Um es mit Heraklit auszudrücken: „Nichts ist so beständig wie der Wandel. Alle Dinge sind im ewigen Fluss, im Werden, ihr Beharren ist nur Schein“.
Für gelingendes Change Management gibt es kein Patentrezept
Seit mindestens zwei Jahrzehnten bin ich Leser der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung. Ich schätze die Praxisbeispiele, die fundierten theoriebasierten Konzeptbeiträge, die Buchbesprechungen u.v.m. In dieser Ausgabe fasziniert mich, aus wie vielen Perspektiven ‚der Raum dazwischen‘, das „nicht mehr und noch nicht“, wie wir es in jedem Change Prozess erleben, beleuchtet wird.
Alltagsweisen und Durchhalteparolen helfen nicht weiter
Winfried Berner, ein geschätzter Autor und sehr erfahrener Berater zum Thema Change Management (er bezeichnet sich selbst als „(Very) Senior Change Coach“) zeigt auf, dass die üblichen Durchhalteparolen wie „Wir machen erst einmal weiter wie bisher, so als ob es keine Fusion, Übernahme oder Umstrukturierung gäbe. Mit guten Ergebnissen kann sich schließlich jede*r am besten für die bevorstehenden Entscheidungen positionieren“ (S. 7) nicht nur nichts bringen, sondern eher das Gegenteil bewirken.
Manche Mitarbeitenden werden womöglich erstmal dazu motiviert, in einem Plan B zu denken. Und am Ende der Reflexion zu meinem persönlichen Plan B mag dann die Erkenntnis reifen, dass ich diese am besten verwirkliche. Vielleicht noch mit der Rahmenbedingung, erst einmal abzuwarten, ob ich nicht vielleicht eine Abfindung heraushandeln kann.
Aktiver Umgang mit Katastrophenphantasien
In Change Prozessen sind Katastrophenphantasien der Betroffenen nichts Unerwartetes. Doch wie damit umgehen? Leugnen mag sie verstärken, Ignorieren macht den Betroffenen deutlich, dass sich auch ihre Führungskraft und das Management nicht dafür interessieren. Deshalb lautet die Empfehlung von Berner: Aussprechen bzw. aktiv Ansprechen und vor allem, die Übergangsperioden möglichst kurz halten.
Ausreichend Zeit im Top-Management reservieren
Damit Übergangsperioden möglichst kurz gehalten werden können, empfiehlt sich gutes Voraus-Denken. Und dieses Voraus-Denken benötigt Zeit. Zeit, die in der heißen Phase der Veränderung häufig nicht zur Verfügung steht – es sei denn, sie ist von vornherein eingeplant.
Deshalb die Empfehlung von Berner, die sich banal anhören mag aber sehr wirkungsvoll ist: Ausreichend Zeit im Top-Management für die Reflexion erforderlicher Entscheidungen reservieren.
Seine Erfahrung: Falls diese Zeit nicht benötigt wird, beklagt sich in der Regel niemand aus dem Top-Management, dass er oder sie ein freies Zeitfenster zur Verfügung hat.
Optische Normalisierung von Übergängen
Joachim Freimuth widmet sich der Frage, mit welcher Form von Visualisierung Übergänge hilfreich optisch dargestellt werden können. Und dabei macht es einen wichtigen Unterschied, ob der Wandel evolutionär oder plötzlich stattfindet. Auch, ob wir zu dem anstehenden Wandel vorhandenes Wissen abrufen können, auf Erfahrungswissen zurückgreifen können, auf unsere Intuition vertrauen sollten oder keinerlei Erfahrung dazu vorliegt (S. 16).
Die Übergangsphase begleiten – Elemente von Rites de Passages nutzen
Bernd Kessel verfügt über umfangreiche Erfahrungen aus seiner Zeit mit Native Americans in den USA. Er stellt darauf aufbauend seine Erkenntnisse für die Durchführung von Transition-Workshops vor. Insbesondere die Anregungen für die Gestaltung der Schwellenphase, auch liminale Phase genannt, sind faszinierend. Vielleicht könnten wir hierbei auch auf unser breites Wissen und unseren Erfahrungsschatz mit unseren religiös verorteten Schwellenphasen zurückgreifen. Die Beschreibungen von Kessel für die liminale Phase haben mich angeregt, in meinem Wissen aus dem Theologiestudium zu forschen. Wahrscheinlich lauert insbesondere in der Praktischen Theologie und in der Liturgiewissenschaft dazu noch der eine oder andere Schatz.
Change, Stress und das Gehirn…
Weitere Beiträge zu
- Erkenntnissen aus Stress-, Beruhigungs-, Motivations- und Bindungssystemen
- eine Kritik der populären Stufenansätze in der Entwicklung
- Impulse aus der ‘Theory of Constraints’
- Buchbesprechungen …
runden diese Ausgabe ab.
Mein Fazit:
Ich werde weiterhin ein treuer Leser der OrganisationsEntwicklung (zur aktuellen Ausgabe) bleiben.
Hier der Link zur „OrganisationsEntwicklung – Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change„