Langsam sprechen und besser zuhören: Ein unterschätztes Werkzeug der Führung

In jedem Beruf und in jeder Organisation wird sehr viel informiert und gesprochen. Mit diesem Beitrag möchte ich den Blick in der Arbeitswelt auf die andere Seite, das Zuhören richten. Praktisch alle werden zustimmen, dass Zuhören eine unverzichtbare Fähigkeit für Führungskräfte ist. Doch wie kann ich als Führungskraft mein Zuhören verbessern? Die Wissenschaft hat eine überraschende Antwort: Sprechen Sie langsamer!
Studien zeigen, dass langsames Sprechen nicht nur Empathie vermittelt, sondern auch die Zufriedenheit der Zuhörer steigert. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie als Führungskraft langsames Sprechen effektiv einsetzen können, welche potenziellen Nachteile damit verbunden sind und warum es sich trotzdem lohnt, diese in Kauf zu nehmen.

Warum langsames Sprechen als Führungskraft wichtig ist

Zuhören als Führungskraft bedeutet mehr als nur passiv aufzunehmen, was der Gesprächspartner sagt. In jedem Führungsentwicklungsprogramm ist das Thema „aktives Zuhören“ Standard. Als Führungskraft z.B. im Gespräch mit Mitarbeitenden zuzuhören ist jedoch noch mehr. Es erfordert aktives Engagement und die Fähigkeit, Empathie zu vermitteln. In Kommunikationstraining wird dazu die Fähigkeit vermittelt, emotionale Erlebnisinhalte und Wünsche meines Gegenübers ansprechen zu können.
Eine der effektivsten Methoden, um zu erreichen, dass mein Zuhören emphatisch wirkt ist laut einer Studie der Harvard Business School das bewusste Reduzieren der Sprechgeschwindigkeit. Langsames Sprechen signalisiert, dass man nicht nur zuhört, sondern auch nachdenkt und das Gesagte reflektiert (Harvard Business Manager 04/2024 S. 12).

Die wissenschaftlichen Grundlagen: Empathie und Sprechgeschwindigkeit

In drei Experimenten stellten Wissenschaftler fest, dass langsames Sprechen Menschen empathischer erscheinen lässt. Probanden bewerteten Personen, die langsamer sprachen, als einfühlsam und hilfsbereit. Dies war bei den schneller sprechenden Probanden in deutlich geringerem Ausmaß der Fall. Woran liegt das? Langsames Sprechen signalisiert, dass man sich die Zeit nimmt, die eigenen Worte sorgfältig zu wählen und mein Gegenüber zu respektieren. Für Führungskräfte bedeutet dies: Spreche ich eher langsam, haben Mitarbeitende eher das Gefühl, ernst genommen zu werden. Dadurch wird das Vertrauen gestärkt und die Zusammenarbeit gefördert.

Langsames Sprechen als Zeichen des Zuhörens

Ich kann die Ergebnisse der Studie gut nachvollziehen. Indem ich als Führungskraft langsamer spreche, gebe ich meinem Mitarbeiter bzw. meiner Mitarbeiterin das Gefühl, dass sein bzw. ihr Anliegen wichtig ist. Dies ist besonders in schwierigen Gesprächen oder Konfliktsituationen von Bedeutung. Häufig ist man als Führungskraft in der Versuchung, möglichst rasch auf den Punkt zu kommen, der die Spannung aus einer schwierigen Situation nehmen kann. Immer in der Annahme, dass ich wahrscheinlich aus meiner beruflichen Erfahrung als Führungskraft heraus einen Beitrag oder Tipp dazu habe, wie mein Mitarbeiter bzw. meine Mitarbeiterin mit der Situation produktiv umgehen kann.

Dadurch besteht besteht die Gefahr, dass ich auf mein Gegenüber ein wenig ungeduldig wirken kann. Und damit den Eindruck stärke, dass ich gar nicht richtig zugehört habe, bevor ich zu einer Antwort komme. Wenn Mitarbeiter hingegen merken, dass Sie sich Zeit nehmen und bewusst sprechen, fühlen sie sich gehört und respektiert. Dies kann die Effektivität Ihrer Kommunikation erheblich steigern und dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden.

Wie Sie langsames Sprechen in der Führung umsetzen

Die Umsetzung von langsamerem Sprechen als Führungskraft erfordert Bewusstsein und Übung. Hier sind einige Tipps, wie Sie diese Technik erfolgreich in Ihren Führungsstil integrieren können.

Bewusstes Tempo und Pausen

Beginnen Sie damit, sich des eigenen Sprechtempos bewusst zu werden. Üben Sie, langsamer zu sprechen und Pausen zu machen, bevor Sie auf Fragen oder Anliegen antworten. Diese Pausen geben Ihnen nicht nur Zeit, Ihre Gedanken zu ordnen, sondern signalisieren auch dem Gegenüber, dass Sie seine bzw. ihre Worte ernst nehmen. Und natürlich gilt dies nicht nur für 1:1 Situationen, sondern auch in Teambesprechungen.

Aktives Zuhören und Reflexion

Langsames Sprechen sollte immer mit aktivem Zuhören einhergehen. Hören Sie Ihrem Gesprächspartner aufmerksam zu und reflektieren Sie das Gehörte, bevor Sie antworten. Dies verstärkt den Eindruck, dass Sie sich wirklich mit dem Anliegen beschäftigen und nicht nur eine vorgefertigte Antwort geben, die Sie praktisch nur noch „absondern“ wollen.

Feedback einholen

Um sicherzustellen, dass Ihr langsames Sprechen als positiv wahrgenommen wird, sollten Sie regelmäßig Feedback von Ihrem Team einholen. Fragen Sie nach, wie Ihre Kommunikation ankommt und ob sich Ihre Mitarbeiter gehört fühlen. Dieses Feedback hilft Ihnen, Ihre Technik zu verfeinern und noch effektiver zu kommunizieren.

Potenzielle Nachteile des langsamen Sprechens und warum sie es trotzdem tun sollten

Auch wenn langsames Sprechen viele Vorteile bietet, gibt es einige potenzielle Nachteile, die nicht ignoriert werden sollten.

Risiko der Ungeduld und Missverständnisse

Ein möglicher Nachteil des langsamen Sprechens ist, dass es von manchen Personen als Unsicherheit oder Unentschlossenheit wahrgenommen werden könnte. In einer schnelllebigen Arbeitsumgebung könnten Mitarbeiter ungeduldig werden oder annehmen, dass Sie nicht in der Lage sind, schnelle Entscheidungen zu treffen. Meine Erfahrung dazu: auch wenn es für neue Mitarbeitende eventuell irritierend erlebt werden mag – lassen sie auch ihren neuen Mitarbeitenden Zeit, sie als ihre Führungskraft kennenzulernen. Mit der Zeit wird ihr langsames Sprechen als hilfreich und als Teil ihres Stiles erlebt werden.

Die Balance finden

Um diesen Nachteil zu vermeiden, ist es wichtig, die richtige Balance zu finden. Passen Sie Ihre Sprechgeschwindigkeit an die Situation und das Gegenüber an. In hektischen Momenten kann es sinnvoll sein, etwas schneller zu sprechen, um Effizienz zu signalisieren. In emotionalen oder komplexen Gesprächen hingegen kann langsames Sprechen dazu beitragen, Vertrauen und Verständnis zu fördern. Es gilt wie immer, die situative Angemessenheit.

Langfristige Vorteile überwiegen

Trotz dieser potenziellen Nachteile überwiegen die langfristigen Vorteile des langsamem Sprechens in der Führung. Die Steigerung des Vertrauens und der Zufriedenheit innerhalb des Teams sowie die Förderung einer Kultur des aktiven Zuhörens sind entscheidend für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation. Daher sollten Führungskräfte die potenziellen Nachteile in Kauf nehmen, um langfristig positive Ergebnisse zu erzielen.

Fazit: Langsames Sprechen als kraftvolles Werkzeug in der Führung

Langsames Sprechen ist ein einfaches, aber wirkungsvolles Mittel, um als Führungskraft empathisch und zugänglich zu wirken. Es unterstützt nicht nur das aktive Zuhören, sondern fördert auch ein tieferes Verständnis und Vertrauen innerhalb des Teams. Trotz einiger potenzieller Nachteile sollten Führungskräfte diese Technik in Betracht ziehen und anwenden, um die Qualität ihrer Kommunikation und die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter zu steigern. In einer Welt, die oft von Geschwindigkeit und Effizienz geprägt ist, kann das bewusste Reduzieren des Tempos ein entscheidender Schritt hin zu einer menschlicheren und effektiveren Führung sein. Lassen Sie sich von der Wirkung überraschen.

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