Perfektionismus – Fluch und Segen?

Mit Blick auf potenzielle Arbeitsergebnisse ist Perfektionismus auf den ersten Blick etwas Gutes. Perfektionismus sorgt für eine hohe Qualität des Outputs. Fehler, die in der Regel einen hohen Nachbearbeitungsaufwand nach sich ziehen, werden minimiert. Und die mit Fehlern häufig verbundene Angst vor Gesichtsverlust oder eventuellem Ärger tritt in den Hintergrund. Es scheint fast so, als sei Perfektionismus eine optimale Prävention, um kritische Situationen im Miteinander auf der Arbeit zu vermeiden. Doch andererseits hat Perfektionismus auch seine Schattenseiten – z.B. das Phänomen des Hinausschiebens von Fertigstellungsterminen oder der individuellen psychischen Belastung, mit dem Perfektionsdruck zurechtzukommen. Die Frage, die sich am Arbeitsplatz daraus ergibt: Was sollte ich als Führungskraft beim Thema Perfektionismus beachten?

Vorteile von Perfektionismus bei der Arbeit

Ein gewisser Perfektionismus bei der Arbeit ist für das Arbeitsergebnis durchaus förderlich. Dies lässt sich in fünf Punkten zusammenfassen:

Hohe Qualität der Arbeit
Perfektionismus liegen sehr hohe Standards und herausragender Qualität zugrunde. Wird dies am Arbeitsplatz gelebt, dann führt dies zu genauen und fehlerfreien Arbeitsergebnissen. Ob diese auch immer effizient erreicht werden, sei dahingestellt.

Motivation zur Selbstverbesserung
Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer perfektionistischen Grundhaltung geprägt, dann sind sie oft hochmotiviert, sich selbst zu verbessern und erfolgreich zu sein. In der Regel setzen sie sich ehrgeizige Ziele und arbeiten hart daran, diese zu erreichen. Aber natürlich stellt sich auch immer die Frage, ob die Ziele für das konkrete Arbeitsergebnis noch angemessen oder nicht zu hoch gesetzt sind.

Genauigkeit und Präzision
Wir kennen dies alle. Wenn wir ein klares Bild davon haben, wie ein optimales Ergebnis aussehen sollte, dann setzten wir alles daran, dass das Endergebnis diesem Bild exakt entsprecht. Sind Mitarbeitenden von Perfektionismus geprägt, dann neigen sie dazu, besonders auf Details und Genauigkeit zu achten. Dies minimiert kritische Abweichungen vom gewünschten Ergebnis und entlastet das Thema Nachbesserung und Nacharbeit. Ob der Aufwand für diese Genauigkeit und Präzision immer angemessen ist, kann jedoch aus dem Blick geraten.

Verantwortungsbewusstsein
Habe ich im Team Kolleginnen und Kollegen, die perfektionistisch veranlagt sind, dann übernehmen diese in der Regel auch die volle Verantwortung für ihre Aufgaben und Ergebnisse. Sie erfüllen ihre Pflichten äußert gewissenhaft und sind damit in der Regel zuverlässige Teammitglieder – wenn sie nicht gerade Deadlines reißen.

Kritikfähigkeit
Wenn Mitarbeitende vom Perfektionismus wirklich beseelt sind, dann sind sie in der Regel offen für konstruktive Kritik. Sie nutzen Kritik zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten und Ergebnisse. Aber Achtung: Ist der Arbeitsplatz nicht von einer Fehlerlernkultur geprägt, dann kann dies auch ins Gegenteil umschlagen.

Perfektionismus am Arbeitsplatz

Nachteile des Perfektionismus bei der Arbeit

Wie bei den Vorteilen oben bereits angedeutet, ist Perfektionismus auch mit möglichen Nachteilen behaftet.

Stress und Angst
Perfektionisten setzen sich selbst enorm unter Druck, um perfekte Ergebnisse zu erzielen. Dies kann zu hohem Stress und Angstzuständen führen, die die psychische Gesundheit beeinträchtigen. Häufig ist dieser selbst erzeugte Stress ein erster Schritt hin zur Entwicklung eines Burn-out-Prozesses.

Prokrastination
Aufgrund der hohen Standards und des Vermeidens von Fehlern neigen Perfektionisten manchmal dazu, Aufgaben aufzuschieben, da sie befürchten, sie könnten ihren eigenen Standards nicht gerecht werden. Dies kann zu unnötigen Verzögerungen führen und die nachfolgenden Arbeitsprozesse gefährden. Häufig entstehen entstehen dadurch Spannungen zwischen den Mitarbeitenden. Konflikte dann noch als Entwicklungshelfer wahrzunehmen fällt in dieser Phase schwer.

Zeitaufwand
Perfektionisten investieren oft viel Zeit und Energie, um Details zu überprüfen und zu verbessern. Dies kann dazu führen, dass sie weniger produktiv sind oder Überstunden machen. Wenn ich dann als Führungskraft mit perfektionistisch veranlagten Mitarbeitenden über Produktivität ins Gespräch gehen will, stoße ich häufig auf Ablehnung.

In Frage gestelltes Selbstwertgefühl
Aus Perfektionismus kann sich ein Teufelskreis entwickelnt. Messe ich meinen Selbstwert vor allem an meinen beruflichen Leistungen besteht die Gefahr, dass ich aufgrund meiner perfektionistischen Erwartungen an mich selbst, meine eigenen hohen Standards nicht erreiche. Im Resümée kann sich daraus ein in Frage gestelltes oder geringes Selbstwertgefühl ergeben

Umgang mit Perfektionismus am Arbeitsplatz

Aufgrund der möglichen positiven und negativen Auswirkungen des Perfektionsmus am Arbeitsplatz, erfordert der Umgang mit perfektionistisch geprägten Teammitglieder von der Führungskraft eine ausgewogene Art und Weise, um solche Teammitglieder nicht vor den Kopf zu stoßen.

Kommunikation und Empathie
Hören Sie Ihren Mitarbeitenden aufmerksam zu und zeigen Sie Verständnis für ihre Motivation und ihre Bedenken bezüglich Perfektionismus. Nur in einem offenen Dialog können Mitarbeitende ihre Gedanken und Sorgen frei äußern. Dieser offene Dialog ist die unabdingbare Voraussetzung, um gemeinsam Optionen für den Umgang mit dem individuellen Perfektionsmus zu entwickeln.

Klare Erwartungen setzen
Lassen Sie wenig Spielräume bezüglich ihrer Erwartungen als Führungskraft. Definieren Sie klare und erreichbare Ziele und Standards für Projekte und Aufgaben, um Missverständnisse zu vermeiden. Damit minimieren sie die Chance, dass Mitarbeitende aufgrund ihres Perfektionismus, über das Ziel hinausschießende Erwartungen an sich selbst entwickeln.  Helfen Sie Ihren Mitarbeitenden dadurch, realistische Erwartungen an sich selbst zu entwickeln.

Förderung eines gesunden Arbeitsumfelds
Fördern Sie eine Kultur, in der Fehler als Lernmöglichkeiten betrachtet werden. Fehler können auch als „auf dem Kopf stehende Lösungsversuche“ werden. Sanktionen und Bestrafungen helfen beim individuellen Lernprozess in der Regel nicht weiter. Aus Feedbacks können sich sehr gute Chancen für die Zukunft ergeben. Fördern Sie Feedforward. Bieten Sie individuelles Coaching an Feedback, um Mitarbeitenden bei der Bewältigung ihres Perfektionismus zu helfen.

Flexibilität und Toleranz
Erkennen Sie als Führungskraft an, dass Perfektionismus nicht immer negativ ist und in einigen Bereichen durchaus von Vorteil sein kann. Seien Sie aber gleichzeitig bereit, gelegentliche Abweichungen von perfekten Ergebnissen zu akzeptieren, wenn dies sinnvoll ist und die Gesamtziele erreicht werden.

Vorbild sein
Reflektieren Sie Ihren persönlichen Anspruch an Perfektionismus. Als Führungskraft ist es wichtig, selbst ein gesundes Verhältnis zu Perfektionismus zu entwickeln und zu zeigen. Genau damit kann man Mitarbeitenden vorleben, wie ein entspannter Umgang mit Perfektionismus aussehen kann.

Perfektionismus am Arbeitsplatz

Der richtige Umgang mit Perfektionismus

Das Ziel ist es, den Perfektionismus in eine positive und produktive Richtung zu lenken, anstatt ihn zu unterdrücken. Daraus können sich gesunde Arbeitsweisen entwickeln, die die Stärken des Perfektionismus nutzen und die negativen Auswirkungen minimieren.

Welche Hinweise gibt die Positive Psychologie für Perfektionismus?

Die Positive Psychologie bietet einige hilfreiche Hinweise für den Umgang mit Perfektionismus, um ihn in eine gesündere und produktivere Form zu lenken. Diese Hinweise betonen die Förderung von Wohlbefinden, Resilienz und positive Emotionen. In Anlehnung an das PERMA-Modell anbei noch einige Empfehlungen für Perfektionisten:

Selbstmitgefühl kultivieren
Statt sich selbst ständig zu kritisieren, sollten Perfektionisten Selbstmitgefühl entwickeln. Dies beinhaltet das Verständnis, dass niemand perfekt ist, und die Akzeptanz von Fehlern und Unvollkommenheiten. Selbstmitgefühl fördert die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden.

Sich auf Stärken konzentrieren
Die Positive Psychologie betont die Bedeutung des Erkennens und Nutzens der eigenen Stärken und Talente. Perfektionisten können lernen, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren und diese gezielt in ihrer Arbeit einzusetzen, anstatt sich ausschließlich auf Schwächen und Mängel zu fokussieren.

Realistische Ziele setzen
Perfektionisten neigen dazu, unrealistische Ziele zu setzen. Die Positive Psychologie ermutigt dazu, Ziele zu setzen, die anspruchsvoll, aber dennoch erreichbar sind. Dies fördert ein Gefühl der Erfüllung und Zufriedenheit.

Flow-Erlebnisse suchen
Flow ist ein Zustand, in dem man in eine Tätigkeit vertieft ist und ein starkes Gefühl von Engagement und Zufriedenheit verspürt. Perfektionisten können von Flow-Erlebnissen profitieren, indem sie sich auf Aufgaben konzentrieren, die ihre Fähigkeiten herausfordern, aber nicht überfordern.

Positive Selbstgespräche
Perfektionisten neigen dazu, sich selbst mit negativen Selbstgesprächen zu kritisieren. Stattdessen sollten sie positive Selbstgespräche kultivieren, indem sie sich ermutigende und unterstützende Botschaften geben.

Achtsamkeit und Präsenz
Achtsamkeitstraining kann Perfektionisten helfen, im Moment zu leben und sich weniger auf zukünftige Ergebnisse zu fixieren. Dies kann Angst und Stress reduzieren.

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