Johann Wolfgang von Goethe wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Ein Problem zu lösen heißt, sich vom Problem zu lösen.“
Mich erinnert dieses Zitat immer wieder daran, dass nicht jedes geschilderte Problem auch direkt eine Aufforderung zu Problemlösung bedeutet. Vor über einem Jahr hatte ich dieses Phänomen am Beispiel einer Hotline bei einem Beratungskunden beschrieben. Unter der Fragestellung „Ein Problem lösen oder sich vom Problem lösen?“ wurde deutlich, dass mit einem negativen Feedback innerhalb eines Hotline-Teams, nicht direkt die Aufforderung an die anderen Teammitglied verbunden war, das geschildert Problem zu lösen. Es war eher wichtig, für die entstandene Situation zu sensibilisieren und an eine bestehende Vereinbarung zu erinnern (s. Loquenz-Beitrag).
Problemschilderung und Problemlösung – die nachhaltige Dienstleistung in der Unternehmensberatung?
In unserer Beratungsarbeit mache ich in Betrieben immer wieder die Erfahrung, dass mit einer Problemschilderung keinesfalls bzw. nicht nur die Aufforderung an mich als Unternehmensberater verbunden ist, aus meiner langjährigen Beratungserfahrung einen Hinweis zu geben, wie es z.B. andere Unternehmen in dem geschilderten Problemfall halten oder welche Lösungsstrategien am häufigsten umgesetzt werden.
Klar ist man bei der ersten Schilderung versucht, eine beispielhafte Problemlösung zu nennen; und auf Seiten des Kunden ist die Verführung auch hoch, eine woanders bereits bewährte Problemlösung auf die eigene Handlungssituation anzuwenden. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Seien es spezielle Gegebenheiten vor Ort, besondere Produkteigenschaften oder bestimmte Verfahrensabläufe, die aufgrund von Vorgaben Dritter einzuhalten sind, stehen dieser reinen Adaptation von Lösungsideen entgegen.
Zudem drohen Lösungen von außen auch weniger nachhaltig zu wirken. Und dies ist nicht nur dem Not-invented-here-Syndrom (s. Wikipedia dazu) zuzuschreiben, sondern hängt auch damit zusammen, dass die als erstes ins Auge gefasste Problemlösung nach ersten Praxiserfahrungen häufig noch nachgebessert muss. Und das fällt dem Team deutlich leichter, wenn es bereits direkt bei der Lösungserarbeitung eingebunden war.
Neue Perspektiven auf ein Problem schaffen Lösungsräume
Unsere Aufgaben in der Beratung von Unternehmungen, Abteilungen und Teams ähneln in der Begleitung weniger denen einer reinen Ratgeberin oder denen eines reinen Ratgebers. Vielmehr arbeiten wir als „Katalysatoren“. Ähnlich wie ein Katalysator ein Stoff ist, der die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion beschleunigt, ohne selbst verbraucht zu werden. Auf die Unternehmensberatung übertragen bedeutet dies, dass wir Problemlöseprozesse forcieren können, ohne selbst in der Rolle des Problemlösenden verbraucht zu werden. Und dazu ist ein wichtiger Schritt, sich vom Problem zu lösen.
‚Sich vom Problem lösen‘ als Voraussetzung für Perspektiverweiterung
Die Methoden, sich von einem Problem zu lösen, sind vielfältig. In der Kommunikationspsychologie ist das Modell der vier Ohren beim Zuhören von Schultz von Thun vertraut (s. auch Loquenz-Blog). Bereits die positive Unterstellung, dass es bei dem geschilderten Problem um mehr als den offensichtlichen Sachinhalt gehen mag, ermöglicht eine neue Perspektive auf das als problematisch empfundene Phänomen.
Meta Mirror nach Robert Dilts
Eine schöne Option, die Perspektiverweiterung noch intensiver anzugehen, stellt die Reflexion mit Hilfe des Meta Mirrors nach Robert Dilts dar. Indem ich eine als problematisch empfundene Situation nicht nur aus meiner eigenen Perspektive und aus der Perspektive meines Gegenübers wahrnehme, sondern auch versuche, eine dritte unbeteiligte Perspektive auf die Interaktion zwischen den beteiligten Parteien einzunehmen, tauchen manchmal erste Lösungsansätze vor meinem inneren Bild auf. Und wenn es mir dann noch gelingt, diese Dreierkonstellation z.B. aus einer Kameraperspektive, d.h. wie von außen zu betrachten, entstehen häufig für alle Anwesenden bzw. Beteiligten überraschende Lösungsansätze. (Zum Meta Mirror siehe auch „Meta-Mirror“ nach Robert Dilts auf der Webseite von Carolin Mallmann.)
Das Tetralemma – ein Denkmodell aus der indischen Logik
In einer Weiterbildung zur Systemischen Strukturaufstellung durfte ich die Denkfigur des Tetralemmas kennenlernen. Als bei einem Projektauftakt, es ging um die IT-Führungskräfte eines großen Versicherungskonzerns, immer wieder der Auftraggeber in Form des IT-Vorstandes als Blockierer empfunden wurde, erarbeiteten wir uns mit einer Analyse anhand des Tetralemmas im Projektteam die entscheidenden Lösungsansätze für die etwas verfahrene Ausgangssituation. Es waren fünf kurze Fragen, die im Raum verteilt, erörtert wurden:
- Position: Was ist die empfundene Bremswirkung des Vorstandes? Auch mit A benannt.
- Position: Was ist „Nicht A“?
- Position: Was ist sowohl A und auch Nicht-A; also der 1. und 2. Position gemeinsam?
- Position: Was ist weder A noch Nicht-A?
- Position: Und was ist nicht einmal das?
Meine Erfahrung, auch wenn das Format auf den ersten Blick sehr nüchtern wirkt, spätestens in der 5. Position tauchen Ideen, Eindrücke oder gar Gedankengänge auf, die eine festgefahrene Situation verflüssigen (siehe auch Wikipedia: Tetralemma).
Auch ungewohnte Lösungen lösen
Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie durch die Perspektiverweiterungen in (Projekt-)Teams, Geschäftsführungen und Managementteams mein persönlicher Slogan in der Beratung „Auch ungewohnte Lösungen lösen“ mit Leben gefüllt wird.
Und dazu sind die drei Techniken, die ich oben genannt habe, nur drei von fast zahllosen Optionen, wie solche Problemlöseprozesse begleitet werden können. Eine Faszination, die uns bei Loquenz als Team von verschiedensten Beraterinnen und Beratern immer wieder auf´s Neue die Prozessbegleitung auch in Problemlösesituationen mit Energie und Begeisterung erleben und gemeinsam mit unseren Auftraggebenden das Ergebnis genießen lässt.