Ein guter Freund wurde von einem Headhunter auf eine Managementposition angesprochen, mit der Option im Laufe der nächsten drei Jahre Nachfolger des ausscheidenden C-Level-Managers werden zu können. Eigentlich eine schöne Option, mit gut 50 Jahren diesen Karriereschritt gehen zu können. Natürlich war diese Anfrage Anlass, uns intensiv darüber auszutauschen.
Im ersten Schritt ging er in eine klassische Kosten-Nutzen-Abwägung:
a) Was riskiere ich, wenn ich die neue Position in einer neuen Firma annehme? Hier tauchte die bestehende Sicherheit eines sehr langjährigen Arbeitsverhältnisses bei einem Lebensalter über 50, Sicherheit in den bestehenden Anforderungen und erfolgskritischen Faktoren, Vertrautheit u.ä. auf.
b) Welche Chance bietet mir der Wechsel? Hier waren Themen wie ein größerer Verantwortungsbereich, der Reiz eines Neuanfanges oder die Herausforderung eines weiteren Karriereschrittes im Blickfeld.
Mit dieser Kosten-Nutzen-Abwägung (selbstverständlich in Abstimmung mit seiner Familie und weiteren für ihn wichtigen Stakeholdern) gelang es meinem Freund nicht, die Entscheidung zu treffen, da er so unterschiedliche Signale auf der körperlichen Ebenen bekommen hatte, dass diese den rationalen Entscheidungsprozess blockierten.
Um das sogenannte Bauchgehirn ebenfalls in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen, empfahl ich ihm, sich mit dem Modell des „inneren Teams“ von Schulz von Thun auseinanderzusetzen. Doch auch damit kam mein Freund nicht zu einer klaren Entscheidung. Das Neue war schlichtweg nicht ausreichend erahnbar, um vom „inneren Team“ klare Antworten zu erhalten.
Bei einem weiteren Treffen kamen wir dem zugrunde liegenden Denkfehler seiner Entscheidungsstrategie auf die Spur: Wie sollte er, bezüglich einer Fragestellung, bei der er praktisch über keine Vorerfahrung verfügt – das letzte Mal stellte sich für ihn die Frage nach dem richtigen Arbeitgeber am Ende seines Studiums – auf einer körperlichen oder kognitiven Ebene eine klare Zustimmung für eine Handlungsalternative wahrnehmen können? Damit war sein gesamtes Wahrnehmungssystem schlichtweg überfordert. Würde er diese Entscheidungsstrategie weiterverfolgen, dann würde er zwangsläufig beim gewohnten Arbeitgeber verbleiben müssen. Außer der Leidensdruck stiege so stark an, dass der unbekannte Ausgang eines Wechsels dagegen vernachlässigbar sein würde.
Es galt also andere Kriterien für die Entscheidungsfindung zu finden. Wir kamen auf das Ausschlusskriterium. Anders formuliert: gib es etwas, was für mich ein klares Stoppsignal sendet? Eine Körperempfindung, innere Stimme oder ähnliches? Wenn ich einen Impuls habe, den Wechsel anzugehen und es kein klares Stoppsignal gibt, dann könnte das auch ein Signal sein zu diesem Wechsel „Ja“ zu sagen. Der Denkfehler im Hintergrund der bisherigen Entscheidungsstrategie wurde immer deutlicher: Wie sollte ich mich für etwas begeistern, das ich noch nicht wirklich kenne? Für einen Schritt, der mir in meiner jetztigen Position schlichtweg unbekannt ist.
Klar haben diese für ihn völlig ungewohnten Entscheidungskriterien anfänglich auch ordentlich Stress ausgelöst. Doch mit jeder weiteren Reflexionsschleife wurde das Ausschlusskriterium immer gewohnter. In der Zwischenzeit hat er sich für die neue Stelle entscheiden. Ich bin auf den weiteren Verlauf gespannt!