Die Reflexion der eigenen Stärken fördert immer wieder Überraschungen zutage. In der Fastenzeit reflektiere ich, in einer kleinen Auszeit am Abend, meinen persönlichen Umgang mit meinen Stärken. Denn meistens wirkt Stärken zu stärken tatsächlich und in der Regel tun wir das zu selten.
Den Überblick über die persönlichen Stärken bekommen
Als Einstieg habe ich die beiden hervorragend evaluierten Stärken-Tests aus der Positiven Psychologie (VIA Inventar der Stärken, VIA-IS) und (Signaturstärkenfragebogen, SignaS) absolviert. Dadurch bekommt man einen guten Überblick zu den eigenen Stärken wie auch zum Ranking der persönlichen Stärken.
Realisierte und unrealisierte Stärken, erlerntes Verhalten und Schwächen
Richtig spannend wird es, die persönlichen Stärken mit Hilfe des Vierfelder-Schemas von Alex Linley anzuschauen. Dabei unterscheidet Linley zwischen realisierten Stärken, erlerntem Verhalten, Schwächen und unrealisierten Stärken.
Realisierte Stärken
Realisierte Stärken sind uns in der Regel gut vertraut; wir benutzen sie häufig. Und wenn wir sie in Situationen nutzen, erzeugen wir in der Regel damit gute Ergebnisse und fühlen uns energetisiert. Unsere Umgebung kennt uns mit diesen realisierten Stärken und lädt uns immer wieder ein, diese einzubringen. Beim Nutzen realisierter Stärken kommen wir leicht in einen Flow-Zustand. Der ungarische Psychologe und spätere Professor an der University of Chicago, Mihaly Csikszentmihalyi, hat diesen Zustand in „Flow. Das Geheimnis des Glücks“ detailliert beschrieben. Der Tipp von Alex Linley ist, sie gut einzusetzen – mich also so aufzustellen, dass ich die Anforderungen möglichst mit diesen Stärken bearbeiten kann.
Erlerntes Verhalten
Was uns häufig (leider) auch nur allzu vertraut ist, ist das im Laufe unseres Lebens erlernte Verhalten. Das sind Verhaltensweisen, die wir uns durch Übung erworben haben. Wenn wir diese einsetzen, erzeugen wir in der Regel auch ein gutes Ergebnis, aber: sie rauben uns die Kraft. Im Gegensatz zu den realisierten Stärken, die uns energetisieren, fühlen wir uns nach dem Einsatz von erlerntem Verhalten kraftlos und erschöpft. Die Konsequenz ist klar: Wir sollten erlerntes Verhalten möglichst kontrolliert einsetzen. Sicherlich sind wir immer wieder gefordert, Situationen mithilfe von erlerntem Verhalten zu meistern. Doch auf Dauer ist es für uns gesünder, diese Situationen so umzugestalten, dass wir sie mit unseren Stärken bewältigen können oder dass wir diese, z.B. durch Delegation oder Job-Crafting seltener zu bewältigen haben.
Schwächen
Schwächen sind leicht zu erkennen. Sie rauben uns die Kraft und erzeugen kein gutes Leistungsergebnis. Hier sollten wir darauf achten, ihren Einsatz zu minimieren.
Unrealisierte Stärken
Richtig spannend war für mich in meiner Stärken-Reflexion der Bereich der unrealisierten Stärken. Diese benutze ich selten, obwohl ich schon erlebt habe, dass ich mit ihrem Einsatz in der Regel ein gutes Ergebnis erzeugen kann und ich dabei noch Kraft tanke. Der Hinweis von Alex Linley zu den unrealisierten Stärken: den Einsatz maximieren. Wo bieten sich Situationen, in denen ich eine meiner unrealisierten Stärken zum Einsatz bringen kann?
Unrealisierte Stärken in der Fastenzeit
Es hat mich in meiner Tagesreflexion überrascht, dass mir meine unrealisierten Stärken eigentlich schon vertraut waren. Sie haben allerdings nur eine leise „innere Stimme“, sodass ich sie schnell überhöre. Zum Teil pflege ich sie vor allem in Situationen, in denen ich mit mir alleine bin. Mein modifiziertes Fastenexperiment für diese Woche: Mich selbst zu beobachten, wie ich mit drei meiner unrealisierten Stärken im Alltag umgehe. Wo setze ich sie vielleicht zum ersten Mal richtig ein? Wo zögere ich beim Einbringen dieser unrealisierten Stärken? Was trägt dazu bei, dass ich meine unrealisierten Stärken leichter zur Wirkung bringe?
Eine Beobachtung habe ich in der letzten Woche bereits gemacht: In der Regel ist meine Umgebung dankbar, wenn ich eine meiner unrealisierten Stärken eingesetzt habe. Insofern bin ich gespannt, was ich noch erfahren werde.
Mein Lektüre-Tipp zum Thema ist das Essential von Teresa Keller mit dem Titel „Persönliche Stärken entdecken und trainieren: Hinweise zur Anwendung und Interpretation des Charakterstärken-Tests“ Es ist als Springer Essentials erschienen. Das Zitat in der Überschrift steht auf Seite 1 des Buches.