Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt: Das Christentum vor der religiösen Indifferenz, von Jan Loffeld; 12.02.24

Nicht nur anders, sondern gar nicht mehr und dann erst ganz neu

Man könnte sagen, das Christentum und der Glaube an Gott sind unter Druck – zumindest wenn man die Präsenz im öffentlichen Raum und die Userzahlen als Maßstab nimmt. Auf diese Situation werden häufig zwei, auf den ersten Blick konkurrierende Reaktionsweisen gewählt: Optimierung oder Transformation. Die These von Loffeld, Professor für Praktische Theologie an der Tilburg University School of Catholic Theology in Utrecht: Wahrscheinlich gilt es diese aktuelle Spannung und Ungewissheit vorerst auszuhalten. Und dann, nicht als direkte Reaktion, sondern nach der deutlichen Wahrnehmung der Leere – Loffeld vergleicht es mit der Situation am Karsamstag – nicht nur anders zu agieren, sondern erst einmal gar nicht mehr …und dann erst ganz neu!

Ungewisse Zustände aushalten

Loffeld betrachtet ausführlich unter religionssoziologischen Aspekten die aktuelle Situation, in der sich nicht nur die katholische Kirche sondern wohl alle monotheistischen Religionen befinden; gut, dass er dabei nicht zu Aktionismus aufruft. Ganz im Gegenteil. Loffeld plädiert dafür, die wahrgenommenen Spannungen bewusst auszuhalten und macht Hoffnung, dass aus diesen Spannungen etwas Neues entstehen kann. Diese Hoffnung belegt er mit Hoffnungserfahrungen, die er z.B. im Rahmen seiner Hochschullehre mit Projekten von Studierenden macht. Und gleichzeitig verweist er darauf, dass diese positiven Erfahrungen wahrscheinlich nicht dazu geeignet sind, als Prototypen für das erhoffte Neue zu fungieren.

Pastoral nach den Maßstäben der Babyboomer

Unter der Überschrift: „Pastoral nach den Maßstäben der Babyboomer“ finden sich erhellende Hinweise, warum das Optimierungsparadigma (noch) so dominant ist. Babyboomer bevorzugen einen Umgang mit Problemen, bei denen die Lösungen auf der Ebene rationaler bzw. argumentativer Lösungen gesucht werden. Sehr hilfreich finde ich auch die Unterscheidung zwischen „Somewheres“ – damit sind Personen gemeint, die eher wenig Wohnortveränderungen in ihrer Biografie erlebt haben, lineare Berufsbiografien besitzen und häufig mit „eher dörflich“ charakterisiert werden – und „Anywheres“ – damit sind Personen gemeint, die mit digital, ortsungebunden, wohnortflexibel und urbanes Mindset beschrieben werden können. Die gesellschaftlichen Spannungen, die sich aufgrund der bevorstehenden Veränderungsnotwendigkeiten daraus ergeben, kann man sich leicht ausmalen.

Sich Zeit für das Entstehen von Neuem einräumen

Loffeld betont besonders die Zeit, die wir uns einräumen sollten, bevor wir das Gestalten des Neuen aktiv angehen. In Analogie zum leeren Grab am Karsamstag, eine Zeit in der nichts zu tun ist, das Alte und Gewohnte nicht mehr vorhanden ist und das Neue noch nicht aufgetaucht ist, appelliert er, diese Spannung in der aktuellen kirchlichen Situation auszuhalten. Und dieses Aushalten nicht mit einer passiven Grundhaltung, sondern mit einer Grundhaltung, diese Zeit als eine Zeit der Gnade zu sehen.

Und damit passt diese Grundhaltung in unsere aktuelle Zeit. „Die Welt wird komplexer, digitaler, heterogener, und nicht aufzuhebende Ambiguitäten treten deutlich zutage. All das wird nur noch im Modus nicht-linearer Übertragbarkeiten verstehbar. Dies meint für alle Bereiche, auf Sicht zu fahren, Risiken dynamisch, also weitgehend ergebnisoffen und nicht statisch einzugehen und schließlich überraschungsaffin zu bleiben“ (S. 172). Aus meiner Perspektive als Unternehmer ergänze ich hier, „Und mit einem agilen Mindset versuchen die aktuellen Dynamiken zu gestalten.“

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