Erst Beschreibung, dann Bewertung und dann die Überlegung. So lautete das Ziel eines laufendes Projekts der Loquenz Unternehmensberatung. Manche Dinge entwickeln sich gut, bei manchen gilt es zu beobachten und bei wieder anderen Elementen gilt es dringend nachzusteuern.
Die geplante Systematik der Besprechung:
- Zuerst die Beschreibung der Ist-Situation aus der Perspektive der Beteiligten
- Dann die Bewertung der Ist-Situation in
- Positiv
- Kann so bleiben
- Negativ
- Als Abschluss die Konsequenzen aus der Bewertung entwickeln
- Positiv: Sollten wir etwas tun, um diese Entwicklungen weiter aufrechtzuerhalten?
- Kann so bleiben: Beobachten wir weiter, um ggf. rechtzeitig steuernd einzugreifen?
- Negativ: Können wir es verschmerzen oder sollten wir etwas tun um gegenzusteuern?
Eine negative Beschreibung erzeugt meist hektisches Verhalten
Soweit die Planung. Die Besprechungspraxis sah vollkommen anders aus. Sobald eine Beschreibung negativ war, entwickelten sich hektische Aktivitäten in Richtung: „Was können wir tun?“
Über die Dinge, die eigentlich einfach hätten so bleiben können, entwickelten sich angeregte Diskussionen: „Wie könnten diese noch weiter optimiert werden?“ Und über die Dinge, die gut laufen, wurde sich aus Zeitmangel gar nicht ausgetauscht.
Als stiller Beobachter der Besprechung, zu der ich eingeladen war, habe ich mich im Nachgang gefragt, was es für uns eigentlich so schwierig macht, Dinge ohne Scheu zu benennen – auch wenn diese negativ sind und wir noch keine Lösung wissen –, ohne unnötig in Emotionalisierungen zu verfallen.
Reine Deskription scheint bei negativen Dingen schwierig zu sein
Insbesondere bei negativen Sachverhalten scheint es in unserer Natur zu liegen, diese möglichst rasch beseitigen zu wollen. Doch dieser Reflex erschwert das exakte Hinschauen, den klaren Blick auf den Ist-Zustand. Damit besteht die Gefahr, dass sich Teams nicht genügend Zeit geben, das Entstehen von guten Lösungen zu gestalten. Die emotionale Spannung der als negativ empfundenen Sachverhalte scheint so groß zu sein, dass diese Spannung durch die Reflexion über Lösungen möglichst rasch abgebaut werden sollte.
Führungskräfte sollten für emotionale Sicherheit sorgen
Mein Fazit aus obigen Beobachtungen: Führungskräfte können sehr gut einen Beitrag dazu leisten, dass Besprechungsteilnehmer sich intensiver der Beschreibung der Ist-Situation widmen können, auch wenn diese negativ und damit emotional unangenehm sein mag. Sie können für emotionale Sicherheit sorgen und den emotionalen Rahmen halten, dass vielleicht gerade in den Punkten, bei denen die größten Störgefühle auftauchen, auch das größte Verbesserungspotenzial liegen mag. Dass das während der Beschreibung einer als negativ wahrgenommenen Ist-Situation empfundene Unangenehme ein üblicherweise auftauchendes Phänomen ist. Und dass es Mut erfordert, sich parallel zu diesem Gefühl auch der aktuellen Aufgabe der Ist-Beschreibung zu widmen. Dass gerade dieses exakte Hinschauen den Boden für das Realisieren des Verbesserungspotenzials bereitet.
Vielleicht ist das Thema ja eine Recherche wert, um zu erfahren wie dies andere Berufen handhaben oder trainieren. Ich denke z.B. an Teams auf Einsatzfahrzeugen oder Cockpitbesatzungen. Im Crew-Ressource-Management-Training lernt man z.B., wie man völlig ohne Schuldzuweisung über Probleme sprechen kann: immer faktenorientiert. Falls jemand Erfahrungen hat, wie man diesen Change im Mindset unterstützen kann, bin ich für Hinweise dankbar!