Eigentlich war die Situation recht klar:
- Eine junge Bewerberin mit gutem Master-Abschluss und wohl trainiertem Auftreten konnte berechtigt punkten.
- Einem in der Branche erfahrenen Bewerber ohne entsprechende Abschlüsse wurde dieser nächste Karriereschritt nicht zugetraut.
- Ein Kandidat erfüllte in seinen schriftlichen Unterlagen die erforderlichen Fachkompetenzen vollumfänglich – konnte dies im Auswahlgespräch jedoch nicht einlösen.
- Ein ebenfalls junger Bewerber mit Bachelor-Abschluss rutschte gerade noch so in die nähere Auswahl und überraschte im Auswahlgespräch positiv.
Was war bei diesem vierten Kandidaten geschehen? Dieser junge Bewerber hatte zum einen das Freizeiterleben der Einrichtungsgäste und nicht die Rentabilität der Anlage als „Daseinszweck“ im Blick, zum anderen überzeugte er durch seine emotionale Intelligenz. Wikipedia beschreibt diese als „[…] die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle (korrekt) wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen.“
Er war z.B. in der Lage bei einer Frage, die eigentlich zu erwarten war und auf die er hätte vorbereitet sein sollen, die eigene Emotion in diesem Moment wahrzunehmen und auch angemessen zum Ausdruck zu bringen. Auch in einer simulierten schwierigen Gesprächssituation mit einer Mitarbeiterin konnte er sein eigenes Erleben, das vermutete Erleben der Mitarbeiterin und die von ihm erwartete Verhaltensänderung der Mitarbeiterin einfach, deutlich und mit Emotion verbunden beschreiben.
Dieser Kandidat erweckte während der Auswahlsituation klar den Eindruck, dass er auch die im Umgang nicht ganz einfachen Mitarbeiter/-innen v.a. im Schichtbetrieb dieser Einrichtung, sehr direkt und trotzdem wohlwollend erreichen wird. Bezüglich der fachlichen Reife war klar, dass dies ein zentrales Thema der Einarbeitungsphase sein wird, ausschlaggebend war die persönliche Reife im Bereich emotionaler Intelligenz.
Was mich im Nachgang beschäftigt hat? Vor allem der jungen Bewerberin mit Master-Abschluss war nicht zu vermitteln, was wir uns unter dem Stichwort emotionale Intelligenz noch stärker gewünscht hätten. Es schien für sie etwas wie ein blinder Fleck zu sein – obwohl sie in beiden Studiengängen auch das Thema emotionale Intelligenz als Lehrinhalte auf der Agenda hatte…