Es ist immer wieder spannend zu sehen, welche Auswirkungen in die Arbeitswelt vermeintliche Alltagsthemen haben. Meine Kollegin Kerstin Rieso, seit 14 Jahren als Senior Consultant bei Loquenz, hat im FAZ-Interview mit Felicitas Witte zum Thema „Was hat guter Schlaf mit Erfolg im Beruf zu tun?“ Zusammenhänge aufgezeigt. Hier ihr Blogbeitrag dazu:
Schlafen ist viel mehr als ‚vertane Zeit‘
Wir hören immer wieder, dass Menschen stolz darauf sind, dass sie mit wenig Schlaf auskommen; denn häufig wird Schlaf als „vertane Zeit“ angesehen.
Dabei haben Studien gezeigt, dass Schlafmangel sich im Gehirn ähnlich wie Alkoholkonsum auswirken kann. Und zu wenig oder auch schlecht zu schlafen zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit führen kann; ausreichender Schlaf häufig entscheidend für kognitive Funktionen ist (Studie zu Schlafentzug von DLR und Forschungszentrum Jülich) und Konzentration, Gedächtnis und die Reaktionszeit verbessert. Und auch das Immunsystem stärkt und das Risiko von Herzkrankheiten, Diabetes und anderen Gesundheitsproblemen reduziert.
Denn während des Schlafes regeneriert der Körper – das ist „Arbeit“ und nicht „Nichts“: Zellen, Gewebe und Muskeln werden repariert. So fördert Schlaf die Erholung nach körperlicher Anstrengung und Verletzungen bzw. nach geistiger Arbeit. Dauerhaft zu wenig zu schlafen kann zu Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit bis hin zu Depressionen führen. Ausreichend guter Schlaf hingegen trägt dazu bei, eine positive Stimmung aufrechtzuerhalten; denn Menschen, die ausreichend schlafen, fühlen sich in der Regel energiegeladener, glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben.
Schlaf ist doch Privatsache – oder?
Ja, ganz klar. Und gleichzeitig sind gesetzliche Vorschriften, z. B. bei der Schichtarbeit, wie auch Fürsorgepflichten der Unternehmen, der Arbeitgeber gegeben. So bietet es sich an, im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements über die gesundheitlichen Risiken von Schlafmangel und Schlafstörungen zu informieren.
Und es lohnt sich auch, über das Arbeitsumfeld Bedingungen zu schaffen, die ‚optimales Arbeiten‘ wie auch Regeneration ermöglichen. Als ausgeschlafene Mitarbeitende oder Führungskraft bin ich leistungsfähiger, kann mich besser fokussieren und konzentrieren – meine Performance verbessert sich. Und ganz nebenbei auch die Stimmung in den Teams.
‚Schönen Feierabend & Gute Nacht-Wünsche‘ sind zu wenig
Wir erleben es in der Beratungsarbeit immer wieder, dass gerade das tägliche Arbeitsumfeld als belastend erlebt wird, quasi den Schlaf raubt. Und dieser Eindruck hat sich jetzt, vier Jahre nach Corona, noch verstärkt. Vielerorts hat die Arbeitsverdichtung zugenommen, Zusammenarbeit findet verstärkt virtuell statt, im Beruf erfolgreich sind die, die ‚omnipräsent‘ sind. So findet sich in der aktuellen Ausgabe des HBM die Aussage: „Der Trend geht zum Zweit-Meeting – seit 2020 haben Meetings um 150% zugenommen.“
Hier kann ich als Firma mit wenig Aufwand und geringem finanziellen Budget dennoch bewusst gegensteuern. Und mit meinen Mitarbeitenden gemeinsam hinschauen, was uns denn aktuell immer wieder nervt, zu Unterbrechungen führt oder sogar den Schlaf raubt. Klären, was sie in ihrem Arbeitsumfeld unterstützen kann, energiereich zu bleiben und nicht gegen Ängste ansteuern zu müssen.
Hilfreich sind klare Regeln in den Teams bzw. Einheiten, z. B. zu
- Erreichbarkeit – auch außerhalb der Arbeitszeit,
- Fokuszeiten, z. B. für das Abarbeiten von Mails,
- Eindeutige Vertretungsregelungen wie auch
- Entscheidungsfindung und -verantwortung.
Als Führungskraft kann ich hier mit gutem Beispiel vorangehen, indem ich die mit den Mitarbeitenden getroffenen Vereinbarungen selbst einhalte und immer wieder dazu einlade, sie untereinander anzuwenden bzw. zu prüfen, ob sie noch hilfreich sind.
So haben sich bei uns Arbeitsintervalle für Deep Work in den Teams gekoppelt mit bewegten Pausen (z. B. 50 min konzentriertes Arbeiten – 10 min bewegte Pause) wie auch die Verkürzung von Meetingzeiten um 5 bis 10 min bewährt.
Positive Leadership – Vertrauen schafft Selbst-Vertrauen
Themen wie VUCA, Digitalisierung und wirtschaftliches Umfeld erzeugen ein Gefühl von Unsicherheit bei Vielen, bis hin zu (Zukunfts-)Ängsten. Unser menschliches Gehirn ist es nicht gewohnt, mit derartig komplexen Situationen umzugehen: Erfahrungen dazu fehlen, Routinen greifen nicht mehr oder nur noch zu kurz, es entstehen Gefühle wie Ratlosigkeit, Verunsicherung, Ärger, Enttäuschung; Zukunftsaussichten werden negativer gesehen.
Dem kann ich entgegenwirken, indem ich als Unternehmer/in ein Arbeitsumfeld schaffe, das von gegenseitigem Vertrauen und psychologischer Sicherheit geprägt ist. Ein Arbeitsumfeld, das den Fokus auf die Stärken einer/s Mitarbeiterin/s legt und für persönliche Empfindungen Platz lässt. Sie respektiert und Mitarbeitenden ermöglicht, sich dazu auszutauschen und ihre positiven Erfahrungen zu teilen bzw. sich auch gegenseitig zu unterstützen. Um die Routinen so an die Entwicklungen anzupassen, dass sie auch als Entlastung erlebt werden.
Umgang mit übermüdet wirkenden Mitarbeitenden
Da plädieren wir für ein explizites Ansprechen des Eindrucks; auf jeden Fall im geschützten Rahmen unnd am besten zeitnah. Schließlich sind Sie besorgt, und das sollten Sie zum Ausdruck bringen: „Ich habe den Eindruck, dass Sie … Sie wirken in letzter Zeit auf mich übermüdet, …“ Der Eindruck kann viele Ursachen haben. Ein „Bitte abstellen!“ hilft nicht weiter.
Es sollte vielmehr das Angebot geben, gemeinsam hinzuschauen und so den/die Mitarbeitende/n zu unterstützen, um die Gründe für den Schlafmangel herauszufinden (Erkrankung/Fatigue, Lebenswandel, familiäres Umfeld). Dabei gemeinsam nach Maßnahmen zu schauen, und zu klären wie diese beseitigt werden können bzw. Veränderungen herbeigeführt werden können, die einen „gesunden Schlaf“ fördern könnten. Und dabei auch weitere Gespräche vorzusehen, um auf Fortschritte und Veränderungen einzugehen.
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… und bitte keine vorschnellen Ratschläge
Der Eindruck von Schlafmangel beim Gegenüber sollte nicht bagatellisiert werden, zum Beispiel durch vorschnelle Tipps wie „Versuch doch mal die App …“. Wenn der/dem Mitarbeitende darauf vertrauen kann, dass sie/er wertgeschätzt wird und es für sein/ihr Umfeld wichtig ist, dass es ihnen gut geht, kann die/der Betroffene motiviert werden, sich mit dem entstandenen Eindruck auseinander zu setzen.
Um so eine ernstzunehmende Erkrankung auszuschließen und für mehr Leistungsfähigkeit wie auch -freude beim Einzelnen wie auch im Team.