„Ich hatte das Thema vor ein paar Wochen in einer anderen Besprechung angesprochen…“
Spannungsbasiertes Arbeiten als Grundlage für Innovation
Es war eine Situation, wie sie in der Beratung von Abteilungen häufig vorkommt. Mitarbeitende berichten mir: „Ich bzw. wir hatten das Thema XY vor ein paar Wochen in einer Besprechung an anderer Stelle schon einmal angesprochen. Die Reaktion war sehr zurückhaltend. Im Moment warten wir einfach ab, ob sich etwas tut. Gut Arbeiten können wir aber im Moment nicht.“
Ungeklärtes verhindert Exzellenz
Was in solchen Situationen für alle Beteiligten klar ist: es wäre schön, wenn das Thema geklärt werden würde. Doch ich selbst möchte keinen Widerstand oder gar Empörung riskieren und weiß nicht, wie ich das Thema ein zweites Mal ansprechen könnte. Auch wenn es mir unangenehm ist, lasse ich das Thema erst einmal liegen und harre der Dinge, die da kommen…
„Wie Spannungen dazu beitragen, dass sich etwas verändert“
Diese Überschrift hat mich neugierig gemacht. Der Ansatz des ‚Spannungsbasierten Arbeitens‘ sieht Spannungen nicht als etwas Negatives, sondern als etwas Positives, als einen Entwicklungsimpuls, der das Individuum, Team und auch Organisationen voranbringen kann. ‚Spannungsbasiertes Arbeiten‘ versteht Spannungen als Differenz zwischen zwei Potenzialen, die eine Person wahrnimmt. Es ist der Unterschied zwischen ‚dem was ist‘ und ‚dem was sein könnte‘. D.h.: kann ich eine Spannung in mir wahrnehmen, dann lauert darin auf jeden Fall auch gleichzeitig die Idee, was jetzt für eine bessere Zukunft hilfreich sein könnte.
Konkreter Umgang mit Spannungen
Als Führungskraft bin ich beim Umgang mit Spannungen gefordert, dass diese als positiv wahrgenommen werden. Spannungen wahrzunehmen ist immer wertvoll, da daraus Lösungen entstehen könnten. Als Führungskraft sollte ich eine geäußerte Spannung nicht bewerten, sondern durch die Frage „Was brauchst Du?“ zur Klarheit beitragen. Geht es der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter einfach darum, eine Information zu teilen oder eine Information zu erhalten? Dann ist mit der Äußerung der Spannung das Thema erledigt.
Häufig geht es bei der Äußerung von Spannung auch um die Empfindung des „in der Wartschleife hängens“. Ich brauche z.B. eine wichtige Information aus dem Controlling, damit ich mein Lastenheft oder meine Ausschreibung endlich fertigstellen kann. Dann mag ich als Führungskraft aufgefordert sein, daran mitzuwirken, dass To-dos auch wirklich abgearbeitet werden.
Oder geht es um Innovation? Z.B. kann sich herausstellen, dass ich zu lange auf ein Projektergebnis warte. Hier kann eine Lösung darin bestehen, dass ich als Führungskraft auf das Teilprojektteam zugehe und die Dringlichkeit des Projektergebnisses für den Mitarbeitenden verdeutliche. Oder es kann sich herausstellen, dass wir einem Designfehler im Projektplan auf die Spur gekommen sind… Oder vielleicht geht es eher darum, über neue Rollen in einem Projekt oder das Weglassen, Hinzufügen oder Umformulieren von Regeln in der Kollaboration nachzudenken.
„Was brauchst Du?“
Die Frage „Was brauchst Du?“ lädt die Mitarbeitenden ein, über die fünf Punkte oben, exakter nachzudenken und damit ihre Erwartungen an das Team für die Äußerung ihrer Spannung zu lenken. Damit entsteht die Chance, dass der Kollege bzw. die Kollegin auch wirklich das erhält, für das er oder sie ihre Spannung beschrieben hat.
Spannungsbasiert versus Harmonie
Schlage ich in unserer Beratungsarbeit vor, die wahrgenommene Spannung auch zu äußern, dann bekomme ich unter vier Augen häufig den Einwand, dass man konstruktiv bzw. harmonisch miteinander umgehen möchte. Zu diesem Anspruch scheint ‚spannungsbasiertes Arbeiten‘ auf den ersten Blick nur schwer dazu zu passen. Die Frage nach dem „Was brauchst Du?“ spült den Hintergrund zur wahrgenommenen Spannung geradezu nach vorne.
Die am Anfang überraschende Erfahrung mit dem ‚spannungsbasierten Arbeiten‘ ist jedoch, dass es häufig sogar explizit guttut, dass ich eine Information, Frage, Unklarheit o. ä. miteinander geteilt habe. Wir kennen dies aus dem Privatleben bei heiklen Themen ja auch. Wenn wir es erst einmal ausgesprochen haben, dann ist der Umgang damit in der Regel leichter.
Hinweise für Führungskräfte beim spannungsorientierten Arbeiten
Was kann ich als Führungskraft dazu beitragen, dass dieser Raum für das achtsame Wahrnehmen von Spannungen für einzelne Mitarbeitende entsteht? Letztendlich geht es um Achtsamkeit für Spannungen und um Psychologische Sicherheit.
Indem ich als Führungskraft selbst als Vorbild agiere und meine Spannungen anspreche, kann ein Raum entstehen, in dem es selbstverständlich wird, Spannungen zum Thema zu machen. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Thema Erfahrung. Für viele Teammitglieder ist es neu, über Spannungen zu sprechen und sie können sich überfordert fühlen. Auch hier hilft der Appell für eine offene Kommunikation und natürlich die praktizierte offene Kommunikation. Wertvolle Hinweise zum Thema finden sich auch im Buch „Die angstfreie Organisation“ von Amy C. Edmondson.
Mir haben in der Recherche zum Thema die Seiten https://business-coaching.podigee.io/25-spannungsbasiertes-arbeiten und https://www.neuenarrative.de/magazin/spannungsbasiertes-arbeiten-wie-spannungen-dazu-beitragen-dass-sich-etwas-verandert gut gefallen. Dort finden sich weitere Infos über spannungsorientiertes Zusammenarbeiten.