Das Phänomen ist bekannt. Mit Hochdruck sind wir dabei, die Abläufe und Prozesse innerhalb unseres Unternehmens zu optimieren. In jeder Mitarbeitendenbefragung kommen Verbesserungsvorschläge zuhauf, auch in Seitengesprächen bei einer Tasse Kaffee oder Tee sprudeln die Ideen:
- „Sollten wir nicht endlich an der internen Prozessoptimierung ansetzen? Ich hätte da Ideen, wie wir die Durchlaufzeiten optimieren könnten …“
- „So wie der aktuelle Vertrieb im Gebiet Süd kann man es doch nicht machen! Wenn ich da Kunde wäre, dann würde ich mir … wünschen.“
- „Jetzt habe ich mich so reingehängt und mindestens drei Wochenenden zusätzlich investiert. Und trotzdem hat meine Vorlage in der Managementrunde nur verhaltende Zustimmung erzeugt.“
- „Der Aufkauf des Lieferantenunternehmens passt doch nicht zu uns. Wir kommen doch von einer ganz anderen Unternehmenskultur her. Ich würde eher nach Ergänzungen schauen, die unsere Unternehmenswerte stärker teilen.“
Die weitere Entwicklungsdynamik solcher Pausengespräche ist typisch; munter folgen die unterschiedlichsten Ideen aufeinander. Und wenn die Kaffee- oder Teetasse geleert ist, gehen die Kollegen und Kolleginnen wieder auseinander. Was oft bei der/dem Einzelnen zurückbleibt, ist ein Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung bei der Komplexität der Ideen.
Die betriebliche Realität durch vier verschiedene Perspektiven betrachten
Wenn die Realität auf den ersten Blick scheinbar zu komplex ist, bietet es sich an, sie durch verschiedene Blickwinkel, aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Denn indem ich meine Wahrnehmung gezielt fokussiere – und damit auch einen Teil der Wahrnehmung ausschließe, ermöglicht mir dies einen präziseren Blick auf den Bereich, den ich näher betrachten möchte.
Gute Erfahrungen machen wir immer wieder mit dem vier Quadranten-Modell von Ken Wilber. Auf den ersten Blick wirkt es schlicht, erst auf den zweiten Blick wird einem klar, wie hilfreich dieser fokussierte Blick sein mag.
Wilbers Grundidee: Die Welt lässt sich durch ein vier-Felder-Schema betrachten. Zum einen mit der Fragestellung, ob ich von außen Sichtbares im Blick habe oder die Phänomene in den Blick nehmen möchte, die nur von innen erkennbar sind. Zum anderen anhand der Fragestellung, ob es sich um meine individuelle Perspektive handelt oder ob es um eine kollektive Wahrnehmung, das „Wir“ geht.
Gemeinsamer Blick, gemeinsamer Austausch über die Perspektivität der Wahrnehmung innerhalb unserer Organisation
Um sich selbst besser kennen zu lernen, bietet es sich an, die vier Quadranten für eine persönliche Handlungssituation im Arbeitskontext zu füllen. Vielleicht zu einem Thema, das mich selbst triggert und gelegentlich aus der Balance bringt. Meine Erfahrung damit: Ich lerne mich selbst besser kennen und kann so, fast automatisch, daraus Handlungsoptionen entwickeln, die dazu beitragen, die Situation mit weniger persönlichem Stress zu gestalten.
Und für Teams bietet sich das Ganze im Rahmen eines Teamworkshops zur Selbstanalyse an: „Was kennzeichnet mein individuelles Agieren und welche Einschätzungen habe ich über unser kollektives Agieren?“ Aber Achtung – Warnhinweis: Bitte nur erproben, wenn das gemeinsame Lernen auch wirklich stattfinden soll. Sollte dies nicht der Fall sein, dann ist es wahrscheinlich, dass sich dadurch bestehende Gräben noch vertiefen.
Mein Lesetipp zu Ken Wilber: Wenn Sie sich intensiver mit den Denkansätzen von Ken Wilber beschäftigen möchten, empfehle ich Ihnen die Einführung von Michael Habecker.