Unternehmensnachfolge – Vorsicht vor „Verstrickungen“
In unserer Beratungsarbeit erleben wir es, immer wieder:
Die Beteiligten sind im laufenden Geschäftsleben voll beansprucht; daher besteht oftmals zu wenig Zeit für strategische Überlegungen zur Unternehmensnachfolge. Und: Unterschiedliche Erfahrungen auf Seiten der Beteiligten führen zu unterschiedliche Erwartungen. Oft ist Vieles noch nicht gesagt bzw. explizit geklärt, häufig sind Emotionen im Spiel.
Damit aus einem potenziellen Drama in mehreren Akten ein Erfolgsmodell wird, lohnt es sich, diesen Prozess mit seinen Entwicklungsdynamiken näher in den Blick zu nehmen.
In dieser Blogserie stellen wir Ihnen die 5 Phasen einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge vor und vertiefen jeweils eine der Phasen.
Die 5 Phasen einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge
Ein guter Nachfolgeprozess lässt sich in fünf Phasen gliedern:
- 1. Analyse- und Planungsphase:
- z.B.: Welchen Nachfolgebedarf haben wir? Wie ist unsere aktuelle Situation? Was wäre ein guter Zeitpunkt für die Nachfolge?
- 2. Suche- und Auswahlphase:
- z. B. potenzielle Nachfolger identifizieren und auswählen
- 3. Übergangs- und Integrationsphase:
- z. B. detaillierte Planung des Übergangs. Verantwortung und Eigentum (ggf. schrittweise) übertragen.
- 4. Konsolidierungs- und Stabilisierungsphase:
- Fortlaufende Optimierungen. Z.B. Unternehmensstrategie an die neue Führung anpassen.
- 5. Abschluss und Rückzug:
- Den Übergang vollständig vollziehen und ggf. dem Rückzug des Vorgängers aus dem aktiven Geschäftsleben.
Auf die Analyse- und Planungsphase im vorangegangenen Blog folgt hier die Suche- und Auswahlphase:
Die Qual der Wahl
Sobald das Thema Unternehmensnachfolge aktiv angegangen werden soll, wird es spannend. Plötzlich scheint die Welt voller potenzieller Nachfolgerinnen und Nachfolger zu sein und es scheint sich die Qual der richtigen Wahl zu stellen.
Die Psychologie spricht hier von der Frequenzillusion, eine kognitive Verzerrung, die im eigenen Kopf stattfindet. Wir kennen das gut von wichtigen Kaufentscheidungen.
Haben wir uns einmal für den Kauf eines grünen Autos entschieden, fällt uns plötzlich auf, wie viele grüne Autos auf den Straßen unterwegs sind. Oder frischgebackene Eltern erleben das auch. Plötzlich scheint die Welt voller Kinderwagen zu sein.
Um nicht von der Frequenzillusion zu vorschnellen oder falschen Schlüssen bei der Suche und Auswahl potenzieller Nachfolgerinnen und Nachfolger verleitet zu werden, sollte diese Phase gut gestaltet werden.
Welche Ziele und Bedarfe versuche ich mit der Nachfolge abzudecken?
Der erste Schritt, um potenzielle Personen für die Unternehmensnachfolge zu identifizieren und auszuwählen besteht darin, dass ich für mich selbst kläre, welche strategische Ziele ich mit der Nachfolge lösen möchte.
Welche langfristigen Ziele sollten mit der Nachfolge stärker in den Fokus genommen werden? Welche Elemente unserer Unternehmenskultur sollten unbedingt fortgeführt oder sogar intensiviert werden? Was ist für den Gesellschafterkreis wichtig, damit eine Nachfolgerin oder Nachfolger auf Dauer erfolgreich sein kann?
Welche Anforderungen bestehen an die Nachfolge?
Aus dieser strategischen Zielsetzung heraus, kann ich die Anforderungen definieren, der die Nachfolge gerecht werden sollte. Was sind die spezifischen Fähigkeiten, Erfahrungen und Qualifikationen, die ein potenzieller Nachfolger unbedingt mitbringen sollte? Was sind Kann-Optionen, die nice-to-have wären? Und: Welches Kriterium bzw. welche Kriterien stellen auf jeden Fall ein Contra-Argument dar, die die Person von der Nachfolge ausschließen?
Führungsfähigkeiten als Fokusthema
Auf mittlere und längere Sicht entscheidend, dürften die Leadership- und Managementfähigkeiten des Nachfolgers sein. Über welche Führungskompetenzen sollte die Nachfolgerin genau verfügen? Was davon sollte er oder sie unbedingt mitbringen? Und was kann er oder sie noch während der Nachfolge erwerben?
Für eine gute Einschätzung der Führungsfähigkeiten gibt es valide Testverfahren (siehe Potentialanalyse) bis hin zu Einzel-Assessments (siehe Einzelassessment). Betrachtet man die möglichen negativen Folgen falscher Auswahlentscheidungen, dann ist das Geld für solche Verfahren sicherlich gut investiert.
Unternehmensnachfolge im Familienbesitz oder als Übergabe?
Findet die Unternehmensnachfolge im Familienkreis statt, dann lassen sich mögliche finanzielle Verpflichtungen in der Regel gut über entsprechende Erbfolgen oder Übergabe des Unternehmensvermögens in eine Stiftung gestalten.
Findet mit der Unternehmensnachfolge auch ein Verkauf an Familienfremde statt, dann ist die Prüfung der finanziellen Kapazitäten des Nachfolgers ein weiterer wichtiger Punkt. Selbst wenn die individuelle Passung hervorragend vorhanden ist, kann es immer noch an den finanziellen Verpflichtungen scheitern.
Dieser finanziell erforderliche Rahmen sollte vom abgebenden Teil eindeutig geklärt sein, um unnötige Aufwendungen zu vermeiden.
Die eigenen Kinder sind nicht automatisch die geeigneten Nachfolgekandidaten
Da das Potenzial zur Unternehmensnachfolge nicht automatisch mit den Genen weitergegeben wird, gilt es auch für die eigenen Kinder, die identischen Kriterien als Nachfolgekandidaten anzulegen, wie ich es auch an familienexterne Nachfolgekandidaten anlegen würde.
Die eigenen Kinder genießen schon den Vorteil, dass sie automatisch auf die Liste potenzieller Nachfolgenden rücken können. Die Bewerbung ist der nachfolgenden Generation automatisch möglich. Der auf die Bewerbung folgende weitere Auswahl- und Qualifizierungsprozess sollte auf jeden Fall den Vergleich mit einer externen Besetzung der Nachfolge nicht scheuen!
Regelungen für Nicht-Nachfolger im Familienbetrieb
Wichtig: Es sollten auch Regelungen für Familienmitglieder getroffen werden, die nicht in das Unternehmen eintreten werde oder es nicht übernehmen wollen. Hier können klare Vereinbarungen über Erbschaften, Anteile und andere finanzielle Aspekte helfen, zukünftige Konflikte zu vermeiden.
Wer sollte alles in den Auswahlprozess eingebunden sein?
Aufgrund der Wichtigkeit der Entscheidung, sollte der Auswahlprozess auf Seiten der Entscheider auf breiten Beinen stehen. Dies gilt auf jeden Fall für die Beteiligung der Eigentümer, ggf. ergänzt mit Beiratsmitgliedern. Zusätzlich kann überlegt werden, weitere Personen, wie z.B. wichtige Mitarbeitende in den Auswahlprozess mit einzubeziehen.
Transparenz und Kommunikation
In der Regel kommt im Verlauf des Such- und Auswahlprozesses auch der Zeitpunkt, an dem es zu entscheiden gilt, wann Transparenz gegenüber der Belegschaft hergestellt werden sollte. Wichtig ist, dies auf jeden Fall im Vorfeld zu überlegen und den Zeitpunkt aktiv zu steuern. Damit wird eventuellen Gerüchten mit all´ den möglichen negativen Wirkungen entgegengesteuert. Und spätestens nach dem Rundgang mit potenziellen Nachfolgerinnen durch die Firma, werden diese Gerüchte ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Eine unserer Erfahrungen:
In der Regel sind die Mitarbeitenden froh in einem Betrieb zu arbeiten, in dem das Thema Nachfolge aktiv angegangen wird. Das strahlt Zuverlässigkeit und Zukunftsorientierung des Unternehmens und damit auch Sicherheit für den persönlichen Arbeitsplatz aus.