„Fröhliches dilettieren“ – ein anderer Ausdruck für Agilität?

„Fröhliches dilettieren“ – Erproben macht Sinn, ohne Praxiserfahrung bleibt die beste Idee einfach nur eine Idee.

Es war wahrscheinlich im Rahmen des Erfahrungsaustausches mit Kolleg*innen im Fachverband Personalmanagement (www.bdu.de/der-bdu/unsere-fachverbaende/personalmanagement), als ich von Walter Braun (www.system-management.com) den Ausspruch des „fröhlichen dilettierens“ aufgeschnappt habe.

Gemeint war mit diesem für manche eher abwertend klinkendem „dilettieren“, dass uns, bei nicht vertrauten Situationen, wie wir sie im Change Management naturgemäß erleben, nichts anderes übrig bleibt, als in der Praxis zu lernen. Und das möglichst mit einer optimistischen Grundhaltung (deshalb „fröhliches“ dilettieren), da wir natürlich immer wieder von Wirkungen unseres Handelns überrascht werden, die wir in unserer Planung nicht beabsichtigt hatten.

Dass dieses „nicht Wissen und trotzdem Vorangehen“ nicht nur eine Berateridee, sondern auch die Quintessenz jahrzehntelanger unternehmerischer Erfahrung darstellt, war bei einem Impulsvortrag von Stephan Koziol (Inhaber der Glücksfabrik: www.koziol-gluecksfabrik.de) mit dem Titel „Wir irren voran“ zu erleben. Stephan Koziol stellte damals für Gesundheitsunternehmer*innen seine Key-Learnings zum Thema „Unternehmerische Entscheidungen im Dilemma“ dar.

Die Kunst des Unternehmertums besteht für ihn in dem Bewusstsein, dass im Voraus keine Gewissheit für meine unternehmerischen Entscheidungen existiert. Und deshalb sollte ich mich auf das schnelle Lernen in der Praxis und die Fähigkeit nachzusteuern, fokussieren.

Die Dokumentation des Netzwerktreffens der Gesundheitsunternehmer*innen findet sich unter: https://bit.ly/3FpddKF

„Zweifel ist keine angenehme Voraussetzung, aber Gewissheit ist eine absurde.“ (Voltaire)

Voltaire, der französische Philosoph und Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, hat die Erwartung an Gewissheit im Vorfeld einer Entscheidung zurecht als eine absurde Idee bezeichnet. Er macht mit dieser Übertreibung deutlich, dass 100% Gewissheit nie im Vorfeld, sondern erst im Nachgang einer Entscheidung entstehen kann – wenn ich die Folgen und Konsequenzen meiner Entscheidung erfahren habe. Doch dazu muss ich immer zuerst ins Handeln kommen.

voltaire zweifel gewissheit zitat spruch

Zweifel und hinreichende Erfolgsprognose

Vielleicht lässt sich der Gegensatz zwischen Zweifel und Gewissheit entschärfen, wenn man Gewissheit durch „hinreichende Erfolgsprognose“ ersetzt. Habe ich den abnehmenden Grenznutzen meiner Bemühungen um 100%ige Gewissheit im Blick, dann ist es eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft zu kalkulieren, wieviel Ungewissheit ich mir leiste, um meinen Aufwand zu verringern. Gewissheit ist nicht nur sachlogisch gedacht unerreichbar, sondern aufwandsorientiert auch nicht zu finanzieren.

Zweifel als wichtiges Signal

Doch das darf natürlich nicht bedeuten, den Zweifel komplett zu ignorieren. Zweifel ist ein Signal, das die Qualität von Entscheidungen maßgeblich steigern kann. Nehme ich den Zweifel zu früh in meinem Entscheidungsprozess nicht mehr wahr, weil er natürlich unangenehm ist, dann drohen folgenschwere Fehlentscheidungen. Daniel Kahnemann beschreibt dies zu Beginn von „Schnelles Denken, langsames Denken“ anhand der Gutachten zu einem Objekt aus der griechischen Antike sehr schön. Die beteiligten Gutachter sind zu einer folgenschweren Fehlentscheidung (die Echtheit des Fundstücks zu bestätigen) gekommen, weil sie ihren Zweifel zu früh zur Seite gestellt hatten.

Agilität als Möglichkeit, mit der Praxis trotz Zweifel produktiv umzugehen

Die Vorgehensweisen, die uns die agilen Arbeitstechniken zur Verfügung stellen, sind hilfreich, um trotz Zweifel in die Umsetzung gehen zu können. Ist z.B. zu Beginn eines Sprints die Zielsetzung geklärt und sind kritische Erfolgsfaktoren im Blick, dann ist es durch die daily stand-ups möglich, rasch nachzusteuern. Und in der Retrospektive die Gelegenheit, die Chancen-Risiko-Abwägung im Team für den nächsten Sprint neu zu justieren.

Vielleicht könnte dies auch ein Beobachtungsfeld für 2022 sein: Wie gestalte ich meinen Umgang mit Zweifel? Wo kann ich die Hoffnung auf Gewissheit durch raschere Feedbacks oder ähnliches ersetzen? Viel Spaß beim Erproben!

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