Praxisbeispiel: Vision für ein christliches Tagungshaus.
Auch christliche Tagungshäuser treffen sich zum Erfahrungsaustausch. Im Rahmen unserer ehrenamtlichen Funktionen im BKU wurden Reinald Wolff (Vorsitzender der Diözesangruppe Rottenburg-Stuttgart und befreundeter Beraterkollege) und ich als Mitglied im Bundesvorstand des BKU eingeladen. Das Themenfeld: christliche Unternehmer – ein Unternehmen als Christ führen.
In der Diskussion kamen wir relativ rasch auf den Punkt, was denn eine Vision für ein christliches Tagungshaus sein könnte. Es kam dabei zu Themen wie:
- Menschen für Menschen oder wie trete ich als Gastgeber meinem Gast entgegen?
- Kirchlichen Raum außerhalb der Kirche erleben
- Für der Kirche fern Stehende eine Gelegenheit bieten, mit Kirche in Kontakt zu kommen
Anscheinend wurde durch einen Teil der bischöflichen Ordinate, in ihrer Funktion als Dienstvorgesetzen der anwesenden Hausleitungen, die Meinung vertreten, dass das Thema Vision nicht von Seiten der Hausleitung, die kaufmännisch oder im Hotelgewerbe ausgebildet ist, formuliert werden könnte, sondern dass dies Aufgabe der Theologen oder Geistlichen sei.
Vision top-down wird nicht funktionieren
Meine Erfahrung in der Beratung von Betrieben spiegelt dies in keinster Weise wieder! Die strategische Ausrichtung sollte Aufgabe des Managements sein. Die operative Exzellenz kann nur durch die direkt am Kunden, der Dienstleistung oder dem Produkt Tätigen erreicht werden. Eine Vision, d.h. das, was mich täglich zur Arbeit lockt, mich motiviert immer wieder nach neuen Lösungen zu suchen und mir die Kraft zum Durchhalten auch bei Schwierigkeiten gibt, mein innerer Referenzpunkt, der letztendlich für das Aufrechterhalten meiner intrinsischen Voraussetzung ist, den kann ich mir schwer von oben ausformuliert und vorgegeben vorstellen.
Eine Vision sollte gemeinsam erarbeitet & errungen werden
Visionen, d.h. Visionen, die eine Kraft zur Ausrichtung aller im Betrieb Tätigen, egal ob Mitarbeiter oder Führungskraft, entfalten, sind nach meiner Beobachtung immer in einem längeren gemeinsamen oder partizipativen Prozess entstanden. Ein Prozess, in dem lieber eine Schleife zu viel gedreht wurde und genau dadurch die Selbstvergewisserung aller Mitarbeitenden gefördert wurde. Zäh mag es hin und wieder bei der letztgültigen Ausformulierung von Visionen werden, wenn redaktionelle Feinarbeit gefragt ist. In dieser Phase entsteht bei mir die Frage, wozu ich eine Vision in der Regel so fein ausformulieren muss? Wäre es nicht hilfreicher statt einer ausformulierten Vision eher Leitfragen zu haben, an denen ich meine Handlungen im Arbeitsalltag reflektieren kann?
Leitfragen können die konkrete Ausrichtung von Handlungen im Arbeitsalltag stärker stützen als vollständige ausformulierte Visionen
Vielleicht sollten wir von der Grundidee Abschied nehmen, dass wir mit Hilfe von Visionen die Ausrichtung von Betrieben und Organisationen möglichst vollständig beschreiben wollen.
Vielleicht bieten sich eher Leitfragen an, mit deren Hilfe der Arbeitsalltag konkret gestaltet werden kann. Um an den oben skizzierten Visionen anzuschließen, könnte ich mir folgende Leitfragen vorstellen:
- Wie bemerken meine Gäste, dass ich als Christ ihnen als Mensch und nicht nur als „Übernachtungsfall“ begegne?
Wie sollte also der Umgang mit meinem Gast sein? - Wo kann ein Gast Spuren des Kirchlichen Raumes bei uns entdecken?
Und wo wahrnehmen, auch wenn wir wenig Ähnlichkeit mit einem Kirchengebäude haben? - Wie signalisiere ich unseren Gästen, dass auch wir Teil der Kirche sind und wir uns über jeden Kontakt freuen?
Ich bin jetzt schon neugierig, was die Reinigungskräfte, der Room-Service oder die Kollegen in der Küche zu solchen Fragestellungen an konkreten Verhaltensideen entwickeln. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass sie dazu keinen Theologen benötigen 🙂 .