Hässig und Stoff starten mit einer Begriffsbestimmung der Unternehmenskultur nach Edgar Schein. Sie zeigen auf, welchen Einfluss der Zeitgeist auf die Unternehmenskultur besitzt und Werte mit Unternehmenskultur zusammenhängen. Dem Thema Wechselwirkung von Werten wird dabei ein extra Abschnitt gewidmet. Nach meiner Beratererfahrung ist die Wechselwirkung von Werten zwar offensichtlich – wird in Change-Prozessen aber leider immer wieder ignoriert. Sehr anregend fand ich das Kapitel 4: „Wie kommt Unternehmenskultur zum Ausdruck?“ Unternehmenskultur ist etwas, das schwer zu benennen und nur im Außen, in seiner Wirkung und seinen Ausdrucksweisen zu erkennen ist. Die drei Ausdrucksebenen (Kopf & Verstand, Herr& Erleben, Machen, Ausführen und Handeln) schärfen hier den Beobachterblick. Die Reflexionen auf die Fragen:
- Wer braucht eine Unternehmenskultur?
- Gibt es gute und schlechte Unternehmenskulturen?
schließen den ersten Teil des Werkes ab. Im mittleren Teil entfalten Hässig und Stoff auf über 60 Seiten das Thema Unternehmenskultur in zahlreichen Facetten. Angefangen von Einflussgrößen wie Vision, Mission, Strategie, Leitbild, Führungsgrundsätze über die Umsetzungsdimensionen von Werten (Lebenssituationen, Reifeprozesse, Corporate Social Responsibility, Corporate Governance, Betriebliches Gesundheitsmanagement u.v.m.) bis hin zu der Frage nach Tabus, Schein und Sein von Unternehmenswerten, religiöse Werte… Aus meiner Sicht ein inspirierender Steinbruch zum Thema. Ob vielleicht noch Facetten fehlen oder die von den Autoren skizzierten Facetten zu umfangreich sind, mag jeder Leser für sich selbst entscheiden. Der Teil, der meinen Wissenshunger beim Lesen endgültig gestillt hat, waren die Hilfestellungen für die Praxis im dritten Teil auf 80 Seiten. Hier kommt die umfangreiche Praxiserfahrung der Autoren zur Blüte! Die Hilfestellungen bestehen aus Impulsfragen, Checklisten, Instrumenten und beispielhaften Visualisierungen, die sich leicht in die eigene Beratungsarbeit übertragen lassen. Sie helfen nicht nur Fallstricke zu vermeiden, sondern nehmen den Leser immer wieder sehr konkret bei der Hand, wie bei der Klärung und Präzisierung von Unternehmenskulturen Schritt für Schritt vorgegangen werden kann. Als Beispiel sei auf Seite 148 die sehr plastische Gegenüberstellung von „Verwalten“ und „Gestalten“ genannt oder die darauffolgende Checkliste zu den neuen Quellen in einer Organisation, wo Geld und Zeit versiegt und Konflikte ausgelöst werden (S. 149-150). Unterstützend wirkt dabei auch immer wieder das Bemühen um gute Visualisierungen, wie sie sich z.B. auf den Seiten 153-155 gleich in vier unterschiedlichen Stilen jeweils passend zum Inhalt wiederfinden. Die von den Autoren verwendeten Typologien (wie z.B. Jäger & Sammler, Händler & Verkäufer, Forscher & Erfinder und Bauer & Lehrer) werden mit viel Liebe zum Detail erläutert und anhand von Fotos illustriert. Auch hier könnte man die Frage stellen, ob nicht noch andere Typologien zur Auswahl stünden und diese evtl. auch sinnvoll beim Thema Unternehmenskultur genutzt werden könnten. Mit Einhalt werden die Autoren mit den vorhandenen Typologien ihrem Buchtitel „Unternehmenskulturen verstehen“ gerecht, das sie genau dazu u.a. das Werkzeug ihrer Typologien liefern. Die These, ob mehr Typologien unbedingt zu mehr Verständnis verhelfen, würde ich nicht eindeutig positiv beantworten wollen. Eine Kleinigkeit, die vielleicht in der zweiten Auflage aufgenommen werden könnte: Das Buch ist auf die Verhältnisse in der Schweiz bezogen. Entsprechend ist immer wieder vom Verwaltungsrat die Rede. Ich würde mir hier eine Erweiterung auf die unternehmerischen Rechtsformen in Österreich und Deutschland wünschen. Vielleicht in zwei zusätzlichen Abschnitten? Auf der anderen Seite wird dadurch auch deutlich, dass die Autoren wirklich aus ihrem Erfahrungsschatz berichten – damit unbedingt lesenswert! Bestellen Sie das Buch hier.