Wie entsteht Vertrauen? Wie gehe ich mit Missbrauch um? Und was ist die Alternative?
Im Rahmen einer Klausur von gut zwanzig Führungskräften ergriff der neue Geschäftsführer, nachdem die Projektreviews erfolgreich absolviert waren, im Anschluss an das Mittagsessen das Wort. Sein Anliegen dabei: das Thema „Vertrauen“ in den Fokus der Aufmerksamkeit der Führungsmannschaft zu richten.
Vertrauen im Zentrum des Dreiecks ‚Ich – Andere – System‘
Die erste Botschaft des erfahrenen Geschäftsführers war, das Vertrauen im Zentrum eines Dreiecks entsteht. Ein Dreieck, das aus den Ecken:
- Ich – Wie kann ich mir selbst vertrauen bzw. wie kann ich mir mein Selbst-Vertrauen erarbeiten?
- Andere – Vertrauen entsteht im Rahmen von gelingenden Beziehungen. Was ist mein Beitrag dazu? Im Verhalten? In meinen Vorannahmen?…
- System – Ich brauche auch Glauben an die Zuverlässigkeit des Systems. Ich sollte darauf vertrauen können, dass unsere sozialen Interaktionsmuster auch (größtenteils) so gelebt werden, wie sie von den jeweiligen Funktionen zugesagt bzw. für die Funktionen vereinbart wurden.
Dabei ist dieses Vertrauen immer das Ergebnis des Zusammenspiels dieser drei Eckpunkte, wenn dies Zusammenspiel gelingt. Es ist nicht die Handlungsvoraussetzung, sondern es geht darum, die Vorannahme sich selbst und innerhalb des Systems „positiv zu unterstellen“.
Was tun, wenn Vertrauen missbraucht wird?
Natürlich ist es schön, wenn ich einen Vertrauensvorschuss schenke und sich dieser Vertrauensvorschuss bewahrheitet, ich das Geschenk des Vertrauens von anderen, dem System oder auch von mir selbst wieder ‚zurück geschenkt‘ bekomme. Doch leider gibt es dafür keine Garantie.
Im Gegenteil: es wird sicherlich ein Moment eintreten, – hoffentlich erst sehr spät und sehr selten – , dass es sich zumindest so anfühlt, dass mein Vertrauen missbraucht wurde. Die Erfahrung des Geschäftsführers: Dieser Missbrauch lässt sich letztendlich nicht vermeiden und es bleibt nur übrig, daran zu wachsen. Also mit diesen Rückschlägen aktiv umzugehen und sich nicht vom Vertrauens-Pfad abbringen zu lassen.
Gibt es eine Alternative zum Vertrauen?
Auf diese Frage war seine Antwort sehr klar: „Nein!“ Es bleibt nur die Devise, zusammenzubleiben, miteinander in der Kooperation zu bleiben und vertrauensvoll miteinander zu arbeiten. Und bei Rückschlägen und Vertrauensmissbrauch die Gewissheit zu haben, dass unsere Organisation gut zu mir, das heißt gut zu ihren Führungskräften sein wird. Dass die Organisation hinter ihren Führungskräften steht, die mit Vertrauensvorschuss führen und das Wagnis des Vertrauens wagen.
Beeindruckend war für mich als Moderator der Klausur, die Atmosphäre nach diesem kurzen Impuls des Geschäftsführers. Man hätte eine Nadel fallen hören. Und man hat den Gesichtern angesehen, dass eine vorsichtige Erwartung Raum ergriffen hat, in diese Reise mit Vertrauensvorschuss einzusteigen.
Zusätzlich stelle ich in der weiteren Begleitung der Führungskräfte und in Coachinggesprächen mit den Führungskräften fest, dass dieser Impulsvortrag nachhallt. Für mich ein sehr gutes Zeichen.
Vertrauen und Psychologische Sicherheit
Für alle, die sich intensiver mit dieser systemtheoretischen Perspektive auf das Thema auseinandersetzen wollen, sei auf Niklas Luhmann (z.B. https://www.loquenz.de/vertrauen-auf-den-grund-gegangen/) verwiesen.
Für den Nachmittag folgten handwerkliche Anregungen für Führungskräfte zu den Verhaltensweisen, die mich unterstützen können, um die Vertrauenskultur im Betrieb zu fördern. Sozusagen ein kleines Zirkeltraining für Führungskräfte zu den Themen:
- Aktiv konstruktives Reagieren (https://psychologie-des-gluecks.de/lexikon/active-constructive-responding/)
- Fixed und growth Mindset (https://www.loquenz.de/wachstumskultur-die-neue-mindset-theorie-c-murphy/) und
- Psychologische Sicherheit (https://www.loquenz.de/die-angstfreie-organisation/)
Hier noch weitere Lektüretipps rings um das Thema und zu Psychologischer Sicherheit:
- Vertrauen gewinnt (https://www.loquenz.de/vertrauen-gewinnt-die-bessere-art-in-unternehmen-zu-fuehren-systemisches-management/)
- Vertrauen als überlegte Investition (https://www.loquenz.de/vertrauen-ist-gut-kontrolle-besser/)
- Vier Stufen der psychologischen Sicherheit (https://www.loquenz.de/die-vier-stufen-der-psychologischen-sicherheit-von-clark/)
- Psychologische Sicherheit – wie fördern? (https://www.loquenz.de/tipps-fuer-psychological-safety-am-arbeitsplatz/)
- Drei Aspekte Psychologischer Sicherheit (https://www.loquenz.de/psychologische-sicherheit-vertrauen-im-team/)
- Playbook Psychologischer Sicherheit (https://www.loquenz.de/playbook-psychologische-sicherheit/)
- Exzellenz und Psychologische Sicherheit (https://www.loquenz.de/chance-fuer-exzellenz/)